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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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Ströme durch deren Tiefe zogen.
    Sie wandte sich ab und schlich in ihr Zimmer. Sie legte sich mit geschlossenen Augen aufs Bett und versuchte, sich auf einen schönen Moment mit Mia zu konzentrieren. Ihre Gedanken wanderten zu jenem Tag, an dem sie Mia zum letzten Mal gesehen und sie sich zum Abschied am Flughafen umarmt hatten. Sie konnte Mias schlanken Körper, ihre Schulterknochen und die Muskeln an ihren Unterarmen immer noch spüren.
    Sie hätte sie viel länger in ihren Armen gehalten und jede einzelne Sekunde ausgekostet, wenn sie geahnt hätte, dass dies das letzte Mal war.

Kapitel 2
Mia
London, Oktober, ein Jahr zuvor
    Mia fühlte Katies weiche Wange an ihrem Gesicht. Sie spürte die Form ihrer Brust, die schmalen Schultern, die aufrechte Haltung – Katie musste sich vor ihrer Schwester auf die Zehen stellen.
    Mia und Katie umarmten einander selten. Es hatte eine Zeit gegeben, als Kinder, da waren sie ganz unbefangen miteinander umgegangen – da hatten sie sich, Hüfte an Hüfte, in denselben Sessel gedrängt, sich gegenseitig dünne Zöpfchen geflochten und helle Bänder daran befestigt, auf warmem Sand liegend die Finger verschränkt und so getan, als würden sie fliegen wie zwei Engel. Irgendwann hatte Mia die Fähigkeit verloren, körperliche Nähe zuzulassen. Katie hatte ihre warme, im wahrsten Sinne des Wortes berührende Art beibehalten, sie umarmte oder küsste ihre Freunde zur Begrüßung, und oft legte sie anderen Menschen einfach eine Hand auf den Arm, um diejenigen in eine Unterhaltung mit einzubeziehen.
    Auf diese Weise umarmt hatten sie sich zuletzt vor einem Jahr, an dem Morgen, als ihre Mutter beerdigt worden war. Harsche Worte waren gefallen, auf einem Treppenabsatz in dem Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatten. Schließlich hatte Katie die Arme ausgebreitet, dabei hätte diese Geste von Mia kommen müssen. Sie hatten sich umklammert, beide in Schwarz, und befreit einen Waffenstillstand herbeigeflüstert. Ihn aber nicht aufrechterhalten.
    Als sie sich nun im Abflugbereich von Heathrow in den Armen lagen, schnürte es Mia die Kehle zu. Tränen brannten in ihren Augen. Sie richtete sich auf und machte sich von Katie los. Sie mied ihren Blick, als sie den Rucksack hochhob, ihn sich über die Schultern hievte und ihr Haar unter den Gurten hervorzog.
    Â»Dann ist es also so weit«, sagte Katie.
    Â»Sieht so aus.«
    Â»Hast du auch alles?«
    Â»Ja.«
    Â»Reisepass? Tickets? Bargeld?«
    Â»Alles.«
    Â»Und Finn triffst du jetzt gleich?«
    Â»Ja.« Es war so verabredet, damit er und Katie sich nicht über den Weg laufen mussten. »Danke, dass du mich gebracht hast«, fügte Mia gerührt hinzu, weil Katie sich den Tag dafür freigenommen hatte. »Das wäre nicht nötig gewesen.«
    Â»Ich wollte mich richtig von dir verabschieden.« Katie trug einen perfekt sitzenden schwarzen Hosenanzug unter einer leichten Kamelhaarjacke. Sie steckte die Hände in die großen Taschen. »Ich hab sowieso das Gefühl, dass ich dich in letzter Zeit kaum noch gesehen hab.«
    Mias Blick wanderte zu Boden: Sie hatte Gründe gesucht, von Katie fernzubleiben.
    Â»Mia«, sagte Katie und trat einen kleinen Schritt vor, »du hattest wahrscheinlich nicht das Gefühl, dass ich mich mit dir freue – auf deine Reise. Aber es ist für mich sehr schwierig, dass du so lange weg sein wirst. Das ist alles.«
    Â»Ich weiß.«
    Katie nahm Mias Hände. Katies Finger waren warm und trocken von den Jackentaschen, Mias Hände waren klamm. »Es tut mir leid, dass London nicht das Richtige für dich ist. Ich hab das Gefühl, dich dazu gedrängt zu haben.«
    Katie spielte mit Mias silbernem Daumenring. »Ich dachte nur, nach dem Tod von Mum wäre es gut, wenn wenigstens wir zusammenblieben. Ich weiß, dass die letzten Monate schwer für dich waren – und es täte mir wirklich leid, wenn du geglaubt hast, du könntest nicht zu mir kommen.«
    Ein öliges Schuldgefühl glitt durch Mias Kehle. Wie hätte ich zu dir kommen können?
    An dem Tag, an dem sie sich zu dieser Reise entschieden hatte, war sie im Badezimmer aufgewacht, auf dem Fußboden, das Gesicht an die kühlen Kacheln gedrückt. Es hatte nach Bleiche gerochen. Ihr Kleid – das Jadegrüne von Katie – hatte sich um die Taille gewickelt, ihre Schuhe lagen
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