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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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dachte, das weißt du.«
    Â»Wann war das?«
    Â»Vor ’nem Monat etwa. Finn hat Jack, meinem Ältesten, davon erzählt. Sie haben sich wohl getrennt – Gott weiß, wieso –, und Mia hat umgebucht.«
    Katies Gedanken überschlugen sich. Die Freundschaft zwischen Mia und Finn war unerschütterlich. Sie sah sie als Kinder vor sich, Finn mit einer Perücke aus schillerndem Seetang, Mia, die sich vor Lachen biegt. Ihre Freundschaft war so einzigartig, so beständig, dass sich Katie absolut nicht vorstellen konnte, was die beiden entzweit haben sollte.
    Zehn Tage später schien die Wintersonne in ihr Zimmer. Katie lag vollkommen reglos im Bett, die Arme an den Seiten, die Augen fest geschlossen. Etwas in ihr bereitete sich auf einen fernen, vagen Schrecken vor, den sie noch nicht greifen konnte. Sie blinzelte, doch bevor sie begriff, warum ihre Augenlider so schwer und verkrustet waren, fuhr der Kummer schon mit Macht durch sie hindurch.
    Mia.
    Sie rollte sich zusammen, zog die Knie an die Brust und drückte die Hände, zu Fäusten geballt, auf den Mund. Sie kniff die Augen ganz fest zu, doch die verstörenden Bilder sickerten in ihre Gedanken: Mia fällt lautlos wie ein Stein in die Tiefe, der Wind peitscht ihr das dunkle Haar aus dem Gesicht, ein gellender Schrei, dann schlägt ihr Schädel auf den Felsen auf.
    Katies Finger tasteten nach Ed, doch sie fühlte nur die leere Stelle, wo er geschlafen hatte. Sie horchte nach ihm, und kurz darauf entspannte sie sich bei dem sanften Klappern einer Tastatur, das aus dem Wohnzimmer zu hören war: Wahrscheinlich mailte er seinem Büro. Darum beneidete sie ihn – seine Welt drehte sich weiter. Ihre hingegen war untergegangen.
    Sie sollte duschen. Die Versuchung war groß, sich wieder unter der Bettdecke zu verkriechen und erst nach dem Mittagessen aufzustehen, vollkommen verschlafen und durcheinander. Sie holte tief Luft, dann zwang sie sich unter der Decke hervor.
    Auf ihrem Weg zum Bad kam sie an Mias Zimmer vorbei und blieb unentschieden vor der Tür stehen. Katie hatte die Wohnung nach dem Tod ihrer Mutter gekauft, mit ihrem kleinen Erbe. In ihrem Umfeld hatten alle gestaunt, dass sie mit Mia zusammenziehen wollte, am meisten jedoch Katie selbst, die sich nach den bitteren Erfahrungen der Teenagerjahre geschworen hatte, niemals wieder mit Mia unter einem Dach zu leben. Doch sie hatte befürchtet, dass Mia das Geld wie Sand durch die Finger rinnen würde, wenn sie ihr Erbteil nicht in etwas Bleibendes, Vernünftiges investierte. Also hatte Katie daraufhin Besichtigungstermine vereinbart, sich mit Maklern und Notaren herumgeschlagen und war mit einem kaputten Schirm durch den Regen gerannt, damit sie die Papiere für die Hypothek noch rechtzeitig unterschreiben konnte.
    Sie schloss die Finger vorsichtig um den Messingknauf, dann trat sie ins Zimmer. Ein Hauch von Jasmin hing in der kalten, abgestandenen Luft. Mia hatte ihr Bett unter das hohe Schiebefenster gestellt, damit sie beim Aufwachen in den Himmel schauen konnte. Auf dem Bett lagen Tüten mit den Kleidern ihrer Mutter. Der Ärmel eines Schaffellmantels hing heraus, der Mantel stammte aus den Siebzigern und hatte einen weiten, lockeren Kragen. Mia hatte sich den ganzen Winter lang wie ein verstörtes Blumenkind darin eingekuschelt.
    Neben dem Bett bog sich Mias Kiefernschreibtisch unter Bergen von Krempel – einer alten Stereoanlage, die vor sich hin staubte, drei Kartons voller CDs, einem Paar Wanderschuhe ohne Schnürsenkel, einem Stapel zerlesener Taschenbücher und zwei Tassen mit Stiften. Die Wände waren nackt, es fehlten die Bilder und Fotos, mit denen Mia ihre Zimmer geschmückt hatte. Dieses hier hatte sie nicht dekoriert, und dadurch wirkte es wie eine Durchgangsstation.
    Katie hatte Mia nach London gelockt, mit Formulierungen wie viel bessere Möglichkeiten und ganz andere berufliche Perspektiven , obwohl solche Begriffe für Mia Fremdwörter waren. Sie hatte die Tage auf ihre Weise verbracht, sie war durch die Parks spaziert, im Sommer hatte sie sich im Battersea Park in einem Ruderboot über den See treiben lassen, als wollte sie sich an einen anderen Ort träumen. In den letzten fünf Monaten hatte sie die gleiche Anzahl an Jobs gehabt. Sie hatte sich zwischendurch einfach immer wieder freigenommen, war spontan aufs Land gefahren, zum Wandern oder Zelten, hatte Katie einen Zettel unter der
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