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Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Autoren: Ralph G. Kretschmann
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Pesthauch
    Ich kann im Nachhinein nicht mehr sagen, was mich mehr abstieß: der Gestank in den Straßen oder der Anblick der verwesenden Leichenberge, die sich in der Mitte des Rathausmarktes auftürmten. Immer mehr Leiterwagen brachten immer mehr Tote, die die Knechte an Armen und Beinen von den hölzernen Wagen herunterzerrten und zu den anderen auf den Leichenstapel warfen. Dann verschwanden die knarrenden Wagen wieder im stinkenden Dunst, der feucht und schwer über der Stadt hing, um weitere grauenvolle Fracht einzusammeln. Es war kalt in diesen Herbsttagen und ich hatte den Himmel schon seit Wochen nicht gesehen. Wie ein graues Leichentuch lag Nebel über den Dächern. Und als ob das nicht genug wäre, ging seit Tagen ein steter Nieselregen nieder, der alles durchnässte, tränkte, ersäufte. Die Straßen, schon in trockenem Zustand keine Freude für Reiter oder Fußgänger, waren ein knöcheltiefer Schlammpfuhl, in dem tote Ratten und Exkremente schwammen. Hätte ich eine Wahl gehabt, ich wäre in dieser Nacht nicht vor die Tür gegangen!
    Denken Sie nicht, ich hätte Angst gehabt vor nächtlichen Überfällen! Ich bin zwar nicht mehr im Militärdienst, seit mir die Franzosenkugel das Knie zerschmetterte und ich ein halb steifes Bein habe, aber mit dem Rest meines Körpers und Schwert und Pistole vermag ich mich noch immer gegen jedweden Gegner zu behaupten, allemal gegen einen Ganoven mit üblen Absichten!
    Auch der Schwarze Tod, der in der Stadt seinen Tribut einforderte, machte mir keine Angst … doch ich fürchtete, den Mann zu verpassen, den zu treffen ich überhaupt in diese verfluchte Stadt gekommen war und auf den ich nun schon seit drei Wochen wartete. Vor drei Stunden war einer der Spitzel, die ich dafür bezahlte, nach einem bestimmten Holländer Ausschau zu halten und mich sofort zu informieren, wenn sie seiner ansichtig würden, zu mir gekommen und hatte gemeldet, der Holländer sei da! Er habe im Hamburger Hof Logis genommen und sei dann stehenden Fußes ins Rathaus geeilt. Ich hatte mich angekleidet und so gut es ging gegen die Unbill des Wetters geschützt mit langen Lederstiefeln und einem Überwurf aus englischem Tuch, das die Besonderheit hatte, keine Regentropfen durch zu lassen, und hatte mich auf den Weg zum Hotel Hamburger Hof gemacht. Ich durfte den Holländer nicht verpassen!
    Er war bei meinem Eintreffen im Hotel noch nicht zurück aus dem Rathaus und der Herr hatte auch nicht gesagt, wann er zurückkehren würde. Er hatte sich nur versichert, dass er hereingelassen werden würde, egal, wann er seine Geschäfte getätigt haben würde. So setzte ich mich in die fast leere Schankstube und bestellte mir einen heißen Wein, halb wegen des Wetters, halb wegen des Geschmacks, der sich in meinem Mund festgesetzt hatte. Alles in dieser von Verwesung durchtränkten Stadt roch, schmeckte und klang nach Tod.
    Der heiße Rotwein, mit einigen wenigen Gewürzen und etwas Zucker, vertrieb mir den Geschmack und die Wartezeit ein wenig. Ich musterte die Schnitzereien in den Deckenbalken und wartete. Ich glaube nicht, dass ich länger als eine halbe Stunde habe warten müssen, da trat der Wirt an meinen Tisch.
    „Der Herr, nach dem Ihr fragtet, er ist eben zurück!“ Der Mann trat einen halben Schritt beiseite und gab den Blick frei auf den stutzerhaft gekleideten Herrn, der hinter ihm den Schankraum betrat und zu mir herüberlächelte. Ich dankte dem Wirt und erhob mich.
    „Mijnheer Van Strout?“, fragte ich und deutete eine Verbeugung an, die der andere erwiderte.
    „Ja, mein Herr, ich würde lügen, widerspräche ich Euch, Rupert Van Strout, zu Euren Diensten!“
    Ich bot ihm einen Stuhl an meinem Tisch an und orderte zwei weitere Weine beim Wirt.
    „Es mag sein, dass ich diese wirklich in Anspruch nehme, Mijnheer!“, erwiderte ich. Er sah mich fragend an.
    „Eure Dienste, die Ihr mir eben anbotet!“ Ein Lächeln huschte über seine alterslosen Züge. „Und ich muss um Eure Verzeihung bitten, ich habe mich Euch noch nicht vorgestellt …“
    „Was auch nicht nötig ist, Herr von Steinborn, Ihr seid mir kein Unbekannter! Im Vertrauen, Euer Traktat über den Aberglauben lese ich immer wieder mit größtem Vergnügen!“
    Ich fühlte mich geschmeichelt, hatte aber durchaus bemerkt, dass der Holländer dies ohne schmeichelnden Unterton gesagt hatte. Nun, auch ich kannte die Werke aus seiner Feder und es stand fest, dass wir uns hier als Pari inter pares trafen, als Gleiche unter
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