Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalt

Kalt

Titel: Kalt
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
1
    Kurz bevor er bewusstlos geschlagen und an einen Stuhl gefesselt wurde, bevor man ihm gegen seinen Willen eine unbekannte Substanz injizierte und bevor er herausfand, dass die Welt auf eine bislang unvorstellbare Weise zutiefst geheimnisvoll war, verließ Dylan O ’ Conner sein Motelzimmer und ging über den Highway zur hell erleuchteten Filiale eines Fastfoodkonzerns, um Cheeseburger, Pommes frites, Apfeltaschen und einen Milchshake mit Vanillegeschmack zu besorgen.
    Der verblichene Tag war inzwischen in der Erde, im Asphalt vergraben. Dem Auge entzogen, aber spürbar, spukte sein Geist durch das nächtliche Arizona: ein heißer Geist, der träge von jedem Zoll des Bodens aufstieg, den Dylan überquerte.
    Hier am Ende des Ortes, das den Reisenden auf der nahen Interstate zu Diensten stand, fochten imposante Batterien farbenfroher Leuchtreklamen um Kunden. Trotz dieser grellen Schlacht glitzerte vom einen Horizont zum andern ein eindrucksvolles Sternenmeer, weil die Luft klar und trocken war. Rund wie das Steuerrad eines Schiffes kreuzte der Mond auf dem gestirnten Ozean westwärts.
    Die Weite hoch oben wirkte rein und verheißungsvoll, die Welt auf Bodenhöhe hingegen staubig und matt. Statt von einem einzelnen Wind durchkämmt zu werden, war die Nacht mit vielen Brisen durchflochten, und jede besaß ihr ganz eigenes Flüstern und ihren einzigartigen Geruch. Nach Wüstensand duftend und nach Kaktuspollen, nach Dieseldämpfen und nach heißem Asphalt, gerann die Luft, während Dylan sich dem Lokal näherte, sie wurde dichter vom aufdringlichen Geruch ausgiebig verwendeten Frittieröls, von auf Bratplatte n r auchendem Hamburgerfett und vom Dunst gebratener Zwiebeln. Fast so dicht wie Smog war sie.
    Wäre er nicht in einer unbekannten Stadt gewesen, wäre er nicht müde gewesen nach einem langen Tag am Steuer und hätte sein jüngerer Bruder Shepherd sich nicht in einer rätselhaften Stimmung befunden, so hätte Dylan sich nach einem Lokal mit gesünderer Kost umgesehen. Aber Shepherd war momentan nicht in der Lage, unter die Menschen zu gehen, und wenn er in diesem Zustand war, weigerte er sich, etwas anderes zu essen als Seelentrost mit hohem Fettgehalt.
    Innen war der Schuppen heller, als er von außen wirkte. Die meisten Oberflächen waren weiß, und trotz der gut gefetteten Luft sah das Etablissement antiseptisch aus.
    Die zeitgenössische Kultur passte Dylan O ’ Conner nur etwa so gut wie ein dreifingriger Handschuh, und der hiesige war wieder einmal einer dieser Orte, die ihm nicht auf den Leib geschneidert waren. Er war der Meinung, ein Hamburgerschuppen müsse eben wie ein Schuppen aussehen, nicht wie eine Zahnarztpraxis oder ein Kinderzimmer mit Bildern von Clowns und lustigen Tieren an der Wand, nicht wie eine Bambushütte auf einer tropischen Insel und auch nicht wie die auf Hochglanz polierte Kunststoffnachbildung eines Diners aus den Fünfzigerjahren, wie es in Wirklichkeit nie eines gegeben hatte. Wollte man hingegen ein T-Bone-Steak in Käsekruste an Kartoffelstiften speisen, die durch Frittieren in siedendem Öl knusprig wie antiker Papyrus geworden waren, und wollte man das Ganze entweder mit einem anständigen Quantum Bier oder einem Milchshake hinunterspülen, der so kalorienhaltig war wie ein ganzes Spanferkel, dann sollte diese fabelhafte Schlemmerei in einem Ambiente stattfinden, das geradezu nach dekadenter Wonne, wenn nicht gar nach Sünde schrie. Die Beleuchtung sollte warm und schummrig sein, die Möbel dunkel – vorzugsweise aus altem Mahagoni, mattem Messing und mit weinroten Polstern. Die Hintergrundmusi k s ollte den Fleischfresser in eine angenehme Stimmung versetzen, also nicht das Zeug sein, bei dem einem im Aufzug die Galle hochkam, weil es von mit Prozac abgefüllten Musikern gespielt wurde, sondern Melodien, die ebenso sinnlich waren wie das Mahl – vielleicht früher Rock and Roll, Bigband-Swing oder gute Countrymusic mit Texten über Versuchung, Reue und heiß geliebte Hunde.
    Dennoch ging er nun über den gekachelten Boden zu einer Edelstahltheke, wo er seine Bestellung bei einer molligen Dame aufgab, deren weißes Haar, adrettes Äußeres und bunt gestreifte Uniform sie zu einem Ebenbild von Mrs.  Santa Claus machten. Fast hätte er erwartet, einen Wichtel aus ihrer Brusttasche lugen zu sehen.
    In fernen Tagen waren die Theken von Fastfoodbuden weitgehend mit Teenagern bemannt gewesen. Seit einigen Jahren aber fand eine beträchtliche Zahl von Teens eine solche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher