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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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be­­gleitet. Seine Augen waren blutunterlaufen, die Haut an seiner Nase war gerötet und rau. Als er Katie erblickte, ging er zögernd auf sie zu.
    Â»Katie –«, sagte er, stockte aber, als er ihren Gesichtsausdruck erkennen konnte.
    Ihre Stimme klang so abweisend und farblos wie der Himmel. »Du hast sie alleingelassen, Finn.«
    Er schloss die Augen und schluckte. Seine Wimpern waren feucht. Im Hintergrund schlug eine Autotür zu, ein Motor startete.
    Katie stand mit dem Rücken zur Kirche. Sie steckte die Hände tief in die Manteltaschen. »Ihr wolltet doch gemeinsam reisen. Was ist passiert?«
    Offenbar schmerzte ihn die Frage, denn als er antwortete, sah er an Katie vorbei. »Wir hatten Streit. So etwas hätte nie passieren dürfen. Mia wollte nicht mehr in Australien bleiben –«
    Â»Und ist nach Bali geflogen«, beendete Katie den Satz. »Aber wieso?«
    Finns linker Fuß, in einem dreckigen schwarzen Schuh, wippte auf und ab. Katie war diese Geste vertraut. Sie hatte sie anfangs für ein Zeichen von Ungeduld gehalten, doch in Wahrheit war es ein Ausdruck von Nervosität. »Wir hatten ein paar Leute kennengelernt, die nach Bali wollten.«
    Â»Ich versteh das alles nicht.« Ihre Hände zitterten in ihren Taschen. Sie ballte sie zu Fäusten und hob das Kinn. »Was hatte sie auf der Klippe zu suchen?«
    Â»Ich weiß es nicht. Wir haben uns seit Australien nicht mehr gesprochen. Ein Mal hat sie mir gemailt –«
    Â»Und es ist dir nicht in den Sinn gekommen, das jemandem zu sagen?« Sie wurde laut. Finns Brüder, die ein wenig abseits standen, schauten sich vielsagend an.
    Er war dem Beschuss ihrer Fragen nicht gewachsen. Hilflos hob er die Hände, dem schweren grauen Himmel zu. »Ich hab gedacht, Mia hätte was gesagt –«
    Â»Du hättest sie davon abbringen müssen!« Ein heftiger Windstoß peitschte Katie das Haar ins Gesicht. Sie schob es eilig zur Seite.
    Â»Sie ist so eigensinnig«, sagte er. »Das weißt du doch.«
    Â» War eigensinnig. War . Sie ist tot!« Nun war die bittere Wahrheit benannt, und Katies Wut ließ sich nicht mehr bremsen. Giftig spie sie ihre Worte aus: »Du hast mir versprochen, auf sie aufzupassen!«
    Â»Ich weiß –«
    Â»Sie hat sich auf dich verlassen, Finn. Ich hab mich auf dich verlassen!« Sie trat vor, holte aus und gab ihm eine heftige, schallende Ohrfeige auf die linke Wange.
    Ãœber ihnen kreischten Möwen.
    Niemand rührte sich. Finn fasste sich bestürzt ans Gesicht. ­Katies Fingerspitzen kribbelten. Eine Weile schien es, als ob er etwas sagen wollte, doch dann kam nur ein Schluchzen. Katie hatte ihn noch niemals weinen sehen und war entsetzt. Sein Gesicht löste sich regelrecht auf, als ob es mit den Tränen nach unten fließen würde.
    Sie sah ihn reglos an, bis sie Eds Hand mit festem Druck an ihrer Schulter spürte. Er lenkte sie zurück zu Mias Grab, zu den Blumen und letzten Grüßen. Ed erwähnte mit keinem Wort, was gerade geschehen war, sondern knöpfte seinen dunklen Mantel zu, nahm die Widmungen der Reihe nach behutsam in die Hand und las Katie die Beileidsbekundungen vor.
    Doch Katie hörte gar nicht hin. Sie sah immer noch den roten Abdruck auf Finns Wange vor sich, ihr Brandmal. Sie hatte noch niemals einen Menschen geschlagen. Ed würde später kommentieren, dass auch Finn trauerte und sie ihm die Gelegenheit hätte geben sollen, sich zu äußern, nur, was gab es noch zu sagen? Mia war tot. Und wenn sie Finn nicht verantwortlich machen konnte, blieb nur sie selbst.
    Â»Das ist ungewöhnlich«, bemerkte Ed. Er hielt eine einzelne Blume in der Hand, von ihrer blutroten Mitte aus fächerten sich drei weiße Blütenblätter auf. Er reichte sie an Katie, die vorsichtig über die samtigen Blätter strich. Es war eine Orchideenart. Katie hielt sich die Blüte vors Gesicht und schnupperte. Der Duft beschwor eine fremde, ferne Welt herauf – lieblich, warm und hell.
    Als Katie die Blume wieder sinken ließ, hielt Ed eine kleine Karte in der Hand, sie gehörte zu der Orchidee. »Was ist denn?«, fragte Katie. Sein Ausdruck hatte sich verändert.
    Wortlos gab er ihr die Karte.
    Katie drehte sie um. Kein Name. Und vorn nur ein Satz: Es tut mir leid.
    Nach der Beerdigung fand ein Umtrunk im Dorfpub statt, wo sich alle um den Kamin drängten und mit
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