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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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größter Pein anvertrauen konnte?
    »Und du hast keinen Zweifel in deinem Herzen?«, fragte meine Mutter.
    »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete ich. »Warum diese Frage?«
    »Du wirst unverzüglich nach Paris reiten …«, begann meine Mutter.
    »Nichts dergleichen werde ich tun«, unterbrach ich scharf, denn nicht einmal meiner Mutter wollte ich gestatten, mich in Widerspruch zu den Regeln meines Ordens zu bringen. »Du solltest wissen, dass mich mein Gelübde hindert, mich anders als dem leuchtenden Beispiel meines Herrn Jesus Christus folgend auf den gottgegebenen Füßen fortzubewegen.«
    »Meinetwegen kannst du hinkriechen, wenn es nur schnell genug vorangeht«, knurrte meine Mutter. »Dort wirst du die besagte Dirne suchen und mit nach Köln bringen, auf dass sie gegen Emund aussagt. So wird es möglich sein, diesen Teufel bloßzustellen, damit wir den Hetzer wider Andreas zum Schweigen bringen können. Er fordert, wie du weißt, seinen Tod und ich halte Erzbischof Engelbert für jemanden, der sich eine Gelegenheit nicht entgehen lassen wird, Andreas los zu werden, der schon lange im Rat sein Widersacher ist.«
    Andreas sprang auf und fuchtelte mit den Armen. Sein verquollenes Gesicht hatte nun einen wilden Ausdruck angenommen. Ich dachte, dass er, wäre er in anderer Verfassung, sehr vornehme Gesichtszüge sein eigen nennen konnte, ganz anders als sein eher grobschlächtiger Bruder. Ich wartete eine Weile, denn ich nahm an, Andreas wolle etwas sagen. Er aber brachte keinen Ton heraus.
    »Wie könnte durch die Schuld des einen diejenige des anderen aufgewogen werden?«, fragte ich dann abweisend.
    »Gar nicht«, mischte sich nun Wolfhardt in das Gespräch ein. Andreas ließ die Hände sinken und schaute seinen Bruder mit ausdruckslosen Augen an. »Es verhält sich nur so, musst du bedenken, dass mein Bruder im Rat der Stadt unser Haus in Schutz nimmt gegen die Versuche des Erzbischofs Engelbert, es schließen zu lassen. Engelbert hasst es, weil es von seinem Vorgänger, Erzbischof Konrad, einst gegründet wurde. Konrad stattete es mit den mannigfaltigsten Privilegien aus, so dass wir weder Bierpfennig noch andere Abgaben zu leisten haben, was die Einnahmen von Engelbert empfindlich schmälert. Aber da die Privilegien auf ewig beeidet sind, kann er sie nicht ohne weiteres aufheben.«
    »Stifter des Hauses war Konrad zwar nicht selbst«, berichtigte meine Mutter kleinlich. »Aber das tut nichts zur Sache.«
    »Gleichviel, ich verstehe nicht, was das mit deinem Willen zu tun hat, dass ich nach Paris gehen soll, vorausgesetzt, mein geliebter Abt gibt mir die Einwilligung.«
    »Du wirst dir die Einwilligung holen«, bestimmte meine Mutter. »Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Sprich mit Magister Albertus. Er wird sie für dich bei Herrn Wido erwirken.«
    Dies aber stellte eine neue Erfahrung für mich dar, denn obwohl Meister Arab unbedingt strenge Zucht hielt, legte er stets den größten Wert darauf, dass ich seine Anordnungen vollständig verstand und billigte und dergestalt mein Gehorsam nie mit meiner Vernunft in Konflikt geraten konnte. Mich auf die beschwerliche Reise nach Paris zu begeben, ohne genau zu wissen, welcher Zweck damit verfolgt wurde, gefiel mir nicht. Ebenso jedoch war es mir unmöglich, mich der Weisung meiner Mutter zu widersetzen. Der Klang ihrer fordernden Stimme löste bei mir ein bisher unbekanntes Gefühl aus.
    Als ich das Haus verließ, weigerte ich mich, Andreas der eingestandenen stummen Sünde wegen den Abschiedsgruß zu entrichten, obwohl ich spürte, wie sehr ihn das kränken musste.

    Die Predigt von Bruder Emund war offensichtlich beendet, als ich auf die Gasse hinaustrat. Die meisten Leuten gingen wieder ihren Beschäftigungen nach, während einige in kleinen Grüppchen zusammenstanden und je nach Temperament ehrfurchtsvoll, sorgenvoll oder belustigt die Schmach des Ratsherrn Andreas besprachen. Ich aber eilte ins Kloster, um unter dem Vorwand, eine unaufschiebbare Beichte ablegen zu müssen, die Ruhe von Magister Albertus zu stören.
    Magister Albertus war auf einem harten Stuhl sitzend in seiner Klause ins Gebet vertieft. Ich vernahm, dass er zum wiederholten Male den Namen der gebenedeiten Jungfrau und Gottesmutter Maria anrief. Es hing der Geruch des hohen Alters in der Luft. Auf dem Tisch vor ihm bewegte ein Luftzug einige der Pergamente, die dort neben dem Schreibzeug lagen, damit er seine Gedanken festhalten konnte.
    »Ehrwürdiger Vater, uns besonders verbundener
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