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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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aber hier muss ich schweigen.«
    Bruder Emund hielt in der Tat inne, und die Zuhörer schauten ihn erwartungsvoll und sogar ein bisschen ängstlich an. Konnte es sein, dass er an dieser Stelle seine Predigt abbrach und sie im ungewissen darüber ließ, ob welcher Schuld sie der Herr mit dem Tode bedrohte? Meine Brüder schubsten und stießen sich durch die Menge nach vorn, um besser mitzubekommen, was nun geschehen würde. Ich jedoch blieb zurück, denn ich hatte eigentlich schon genug gehört. Natürlich! Bruder Emund stammte aus Regensburg, wo er vermutlich bei dem barfüßigen Prediger Berthold gelernt hatte, der dortselbst mit verführerischen Reden und falschen Wundern die Menschen verhexte. Während die franziskanischen Magister, mit denen mein Meister Arab in Paris disputiert hatte, zumindest der Sprache des Geistes mächtig waren, wenn sie sie auch nicht verstanden, so waren diese Prediger, wie er sagte, unwürdige Gaukler des Herrn.
    Nun aber schickte sich Bruder Emund an, fortzufahren: »In der Nacht kam der Herr zu mir und klagte mir sein Leid, dass nämlich hier in Köln einer sei, der diese Sünde wider die Natur begehe. Und da der Herr nicht falsch spricht, so fand ich keinen Schlaf mehr, sondern wandelte durch die Stadt, bis ich endlich fand, was mir aufgetragen worden war.
    Nein, ich kann es nicht aussprechen! Ich bringe es nicht über die Lippen! Sie sollen stumm bleiben und schweigen von dem, was ich sah. Mit meinen eigenen Augen sah! Ich aber sage euch, dass ich nur hingeschaut habe, weil es der Herr von mir verlangt hat, denn ihr könnt gewiss sein, dass ich viel lieber weggeschaut hätte!
    Von zwei Männern aber spreche ich, die, wie der Apostel sagte, den Gebrauch der Frau aufgegeben und den natürlichen Verkehr vertauscht haben. Denn sie sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben.«
    Bruder Emund hatte es geschafft, sogar mich in den Bann zu ziehen. Alle Ablehnung der Barfüßer, die mir mein Meister Arab mitgegeben hatte, vermochte es nicht, meinen Widerwillen gegen die Sünde zu mildern, von der da gerade gesprochen wurde – der stummen Sünde.
    »O du unglückliche Stadt Köln, du armselige Stadt!«, klagte Bruder Emund und wandte seinen Blick zum Himmel. »Rache, du verteufelter Sodomit! , rufen die Kinder, die nicht zur Welt kommen durften deiner verfluchten Sünde wegen. Gerechter, großer Gott, übe Vergeltung an dem, der unser Vater sein könnte auf Erden, für uns, die wir geboren worden wären und durch seine Schuld nicht zur Welt gekommen sind.« Bruder Emund nahm nun wieder die Zuhörer in den Blick. »Und der Herr sprach: Es ist ein großes Geschrei über die Stadt Sodom, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und vernichtete die Stadt und die ganze Gegend und alle Einwohner der Stadt und was auf dem Lande gewachsen war.
    Wie Sodom aber bist nun du, schönes Köln, des Unterganges, weil es nicht irgendjemand ist, der sich auf so schlimme Weise an Gott vergangen und gegen die Natur gefrevelt hat, sondern es ist ein Ratsherr von euch, vor dem ihr noch meint, euch in Ehrfurcht verneigen zu müssen, weil ihr um seine stumme Sünde nicht wisst.«
    Als Bruder Emund hier eine Pause machte, begannen viele aus der Menge zu rufen, er möge den Namen preisgeben: »Wer ist es? Wer? Bitte, Bruder Emund, gib es bekannt! Wir werden ihn richten, damit wir leben!«
    »Sein Name aber ist … Andreas … Andreas Kleingedank.«
    Da ich Köln im zarten Alter von sieben Jahren mit meinem Meister Arab verlassen hatte und, wie gesagt, erst vor wenigen Tagen zurückgekehrt war, kannte ich diesen Andreas nicht. Wohl aber wusste ich, dass meine Mutter mit dessen Bruder Wolfhardt verheiratet war. Doch nicht Wolfhardt ist mein Vater, sondern, wie mir Meister Arab offenbarte, als er die Zeit für angemessen hielt, der verstorbene Erzbischof Konrad, was mich weniger der schändlichen Geburt wegen betrübte als wegen der Tatsache, dass ich aus dem Samen eines so unehrenhaften Mannes stammte. Wolfhardt jedenfalls hatte mich, nachdem ich von der Wanderschaft zurückgekehrt war, herzlich an Vaters Statt ins Herz geschlossen und ich fürchtete jetzt, dass er sich ebenso wie meine liebe Mutter der Enthüllung über besagten Andreas wegen grämen würde.
    Die Menge war aufgebracht und alle schrien durcheinander und trampelten mit den Füßen, pfiffen oder trommelten sich mit den Fäusten auf die Brust.
    Bruder
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