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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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Emund hob seine Hände, gebot Ruhe und sagte: »Liebe Christenmenschen, seid getrost! Ich bin vom Herrn abgesandt worden, um euch zu retten. Danket dem Herrn für seine überfließende Gnade! Bis dass der Frevler gefasst ist und er die Tat mit seinem Leben gesühnt hat, werde ich für euch beten, wie es einst Abraham für Sodom getan hat, um beim Herrn einen Aufschub zu erreichen. Um den Zorn des Herrn zu besänftigen, brauche ich ein Paar Schuhe von einer Jungfrau als sichtbares Unterpfand dafür, dass ihr auf dem rechten Wege zurück zum Herrn seid.« Bruder Emund wandte sich an die, die er vorhin Adelheid genannt hatte. »Dein Schuhwerk, liebe Tochter Adelheid, scheint mir gerade recht.«
    »Ich heiße nicht Adelheid«, sagte die Angesprochene errötend.
    »Gleichviel, ich nenne euch Jungfrauen alle bei diesem Namen«, beschied Bruder Emund kurz. Das hielt er wohl wie Berthold höchstselbst. »Gib mir um des Wohls deiner Mitchristen willen deine Schuhe!«
    »Neue könnt ich mir nicht leisten«, wehrte sie zaghaft ab.
    Da rief Bruder Emund in die Runde: »Diese Jungfrau hier gibt ihre Schuhe, um euch alle zu retten, da möcht ich meinen, dass ihr Schusterhunde euch wohl verstehen könntet, sie ihr für Gottes Lohn zu ersetzen.«
    In der Tat fand sich sogleich ein lütter Schuster, Vogelo mit Namen, bereit, der bezeichneten Jungfrau neues Schuhwerk zu fertigen. Während Emund nun die Schuhe entgegennahm, hatte ich wiederum das Gefühl, ihn einstmals schon gesehen zu haben. Es musste lange her sein und dessentwegen wollte es mir nicht möglich sein, mir das entsprechende Bild ins Gedächtnis zu rufen. Ich bahnte mir den Weg durch das Gewühl, weil ich nach meiner Mutter und ihren Gatten sehen wollte.

    Ich drückte mich durch die Menge, um zur Casiusgasse zu gelangen, denn ich musste, um zum weißen Haus meiner Mutter an der alten Mauer zu gelangen, gen Norden mich wenden. Die Begarden, die hier ihren neuen Konvent errichteten, wimmelten – von Bruder Emunds Predigt gänzlich unbeeindruckt – munter herum und ich musste ein wenig warten, bis sie einen Sparren aus der engen Gasse entfernten, der mir den Weg versperrte. Ich querte die Streitzeuggasse, um über die übel beleumundete Filzgasse auf den Berlich zu gelangen, wo die bedauernswerten Dirnen schon zu dieser Stunde auf ihre Freier warteten. Meine Mutter Hadwig leitete seit vielen Jahren das weiße Haus zwischen der Schwalbengasse und der Armenstraße, in welchem sie gefallene Mädchen in christlicher Nächstenliebe beherbergte und zur Arbeit anhielt, auf dass sie sich und ihre Kinder ehrlich ernähren konnten, ohne der Hurerei verfallen zu müssen. Es hieß das »weiße« Haus, weil die Mädchen stets von Kopf bis Fuß in weißes Linnen gewandet waren zum Zeichen, dass ihre Herzen im Gegensatz zu ihren Körpern rein waren. Ich war noch ganz von dem Versuch gefangen, die Erinnerung zu ergründen, die ich an Bruder Emund vermeinte zu haben, als ich an der Pforte klopfte und meine Mutter öffnete.
    Meine Mutter war keine junge Frau mehr, zählte sie nun ja schon sechsunddreißig Jahre, aber konnte den Männern wohl noch gefallen, obgleich sie, der schweren Arbeit wegen, die sie leistete, weniger Speck ansetzte, als gemeinhin als erstrebenswert gilt. Da ich trotz ihrer Heirat mit Wolfhardt ihr einziges Kind geblieben bin, fragte ich mich bang, ob sie wohl eine Josephsehe führten, und ich hätte, wenn ich nicht im Konvent gewohnt hätte, gern gespäht, wie sie die Nacht verbrachten, weil ich mich nicht getraute, diese Frage zu stellen.
    Anstatt den gehörigen Gruß zu entrichten, wie es sich geziemt hätte, murmelte ich: »Die Schuhe, es muss etwas mit den Schuhen zu tun haben.«
    »Was redest du da, mein Sohn?«, fragte meine Mutter.
    »Geliebte Mutter!«, rief ich. »Es ist ein Unglück geschehen. Dem Bruder deines Gatten wirft der Prediger der minderen Brüder vor, sich der sodomitischen Sünde hingegeben zu haben …«
    »Tritt ein, mein Sohn«, sagte meine Mutter gefasst. »Wir wissen es bereits, Wolfhardt und ich. Er … er ist hier.«
    Meine Mutter geleitete mich in den kleinen privaten Raum, den sie mit Wolfhardt bewohnte. Der Raum war höchst sorgfältig und liebevoll eingerichtet. Alles in ihm – von den sauber verarbeiteten Bohlen auf dem Boden über die schön verzierten Stühle und den gediegenen Tisch bis hin zu dem einladenden Bett – war von den Mädchen selbst gewirkt worden, und ich kam nicht umhin, ihre Handwerkskunst aufs äußerste zu
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