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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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Bruder und Magister«, begann ich zaghaft und setzte mich auf einen Schemel, der einzigen verfügbaren Sitzgelegenheit. »Ich benötige Euren geschätzten geistlichen Beistand.«
    »Unser Sohn«, sagte Magister Albertus freudig mit seiner alten Stimme, vergaß allerdings, sich herumzudrehen, und so sprach ich mit seinem Rücken. Mir fiel auf, wie recht Bruder Paul hatte: Magister Albertus war nicht mehr als Haut und Knochen. »Es ist schön, einen gebildeten Geist um uns zu wissen. Was ist es, das dich bedrückt?«
    »Ich muss mich zwischen zwei Sünden entscheiden«, sagte ich zerknirscht.
    »Wir müssen also, unterstützt von Unserer Lieben Frau, herausfinden, welche die geringere von beiden ist. Ist es das, was du meinst?«, fragte Magister Albertus scharfsinnig, denn sein Denken hatte durch das Alter keineswegs Schaden genommen, außer der Fähigkeit, sich an die Dinge des Alltags zu erinnern, die unwiederbringlich verloren ward.
    »Ja«, antwortete ich.
    »So also beginne und lege uns dar, um welche Sünden es sich handelt«, lud mich Magister Albertus ein.
    »Die eine Sünde wäre Ungehorsam wider meine Mutter, Hadwig Kleingedank«, fasste ich kurz zusammen.
    »Eine wahrlich schwere Sünde«, bestätigte Magister Albertus und nickte leicht mit dem Kopf. »Nun nenne uns die andere Sünde und warum du die eine oder die andere begehen musst, also nicht von beiden lassen kannst.«
    »Meine Mutter verlangt von mir, dass ich nach Paris gehe …«, setzte ich an.
    »Das wäre keine schwere Sünde«, unterbrach Albertus und wandte mir nun doch das Gesicht zu. Ich schaute ihm in die alten, bleichen Augen. Nimmer in meinem Leben hatte ich einen so betagten Menschen gesehen. Dieses von vielen Jahrzehnten Erfahrungen mit den Menschen, Gesprächen mit Gott und Beschäftigung mit der Natur gezeichnete Gesicht flößte mir eine derartige Ehrfurcht ein, als hätte ich tatsächlich eine Gestalt aus dem Alten Testament vor mir. Ich dachte an Abraham. Ich sah, dass Magister Albertus ein wenig lächelte, so als ob er mich nicht ganz für voll nähme in meiner Seelenqual.
    »Dorten soll ich«, setzte ich erneut zu einer Erklärung an, »nach der Dirne Ingeborg suchen, mit der Bruder Emund als Student Umgang hatte, wovon ich Kenntnis besitze, weil ich in Paris, wie Ihr wisst, studierte.«
    »Hat der Hundsfötter von einem Minoriten also doch noch einen letzten Funken menschlicher Leidenschaft in sich«, bemerkte Magister Albertus zufrieden. »Einfache Unzucht ist natürlich kein so besonders schwerwiegendes Vergehen.«
    »Er hat … wie soll ich es Euch sagen, ehrwürdiger Vater?«, druckste ich verlegen herum.
    »Wir sind alt, unser Sohn, es gibt nichts, was wir nicht schon gehört hätten«, beruhigte mich Magister Albertus gütig.
    »Er hat keinen natürlichen Geschlechtsakt ausgeführt, sondern Hand an sich selbst gelegt«, erläuterte ich.
    »Wozu dann die Dirne?«, fragte Magister Albertus vernünftig und nun doch etwas beeindruckt, wie ich an seinen leicht hochgezogenen Augenbrauen ersehen konnte.
    »Bruder Emund«, antwortete ich, »benutzte dazu ihren Schuh und wollte, dass sie zugegen sei.«
    »Hm«, machte Magister Albertus. »Nun, woher weißt du das?«
    »Die Dirne hat es meinem Meister Arab erzählt, der ihr freundschaftlich zugetan war«, antwortete ich.
    »Du meinst wohl Averom, einen großen Gelehrten mit allzu überfließender Lendenkraft«, warf Magister Albertus ein. »Was bringt dich dazu, den Worten einer Dirne Glauben zu schenken?«
    »Ich«, begann ich verlegen. »Ich selbst … Ich war sehr jung …«
    »Nun heraus mit der Sprache, unser Sohn, so schlimm kann es doch nicht sein!«, unterstützte Magister Albertus mein Geständnis.
    »Hinter einem Vorhang … Also, ich habe selbst dabei zugeschaut.« Ich erwartete für dieses Vergehen eine gehörige Strafe, doch nichts in der Art geschah. Als hätte ich nicht gerade eine Ungeheuerlichkeit zugegeben, fuhr Magister Albertus in seinem Gedankengange fort:
    »Welche Sünde meinst du nun, unser Sohn, damit zu begehen, wenn du dem Wunsch deiner Mutter entsprechend dich auf die Suche nach der Dirne von Bruder Emund machst?«
    »Ihr Ziel ist es«, antwortete ich erregt, »das Ansehen von Bruder Emund zu erschüttern, um dadurch den angeklagten Ratsherrn Andreas Kleingedank, Bruder ihres Gatten, entlasten zu können. Ihr habt es vernommen? Er hat die Sünde der Sodomie begangen!«
    Magister Albertus nickte kaum sichtbar.
    Ich führte meine besorgte Überlegung nun zu
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