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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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Ende: »Es scheint mir eine Sünde zu sein, einem offensichtlichen Sünder beistehen zu wollen.«
    Magister Albertus hob beide Hände vor sich und begann, sie wie Waagschalen auf und ab zu bewegen. Schließlich hielt er inne, wobei die rechte Hand in der unteren Stellung verharrte. »Die Sünde der Unreinheit verstößt gegen die natürliche Zweisamkeit des Geschlechtlichen, also könnte sie am schwersten wiegen.« Albertus wechselte die Stellung der Hände. »Das aber ist falsch. Denn es handelt sich nur darum, die Zweisamkeit unterlassen zu haben. Die Sodomiter treiben demgegenüber Missbrauch, weil sie das geziemende Geschlecht verfehlen.«
    »Meint Ihr denn wirklich, ehrwürdiger Magister«, fragte ich, wie ich schon meine Mutter gefragt hatte, ohne eine Antwort erhalten zu haben, »dass die Sünde des einen die des anderen aufwiegen könnte? Wenn jemand einen Räuber entlarvt, wäre der Räuber dann freizusprechen, wenn ruchbar wird, dass sein Ankläger ein Mörder ist?«
    »Du hast Recht, unser Sohn«, pflichtete Magister Albertus mir bei, um mir dann aber doch gründlich zu widersprechen: »Soweit es dein Beispiel betrifft. Hier geht es jedoch um ganz andere Sünden, als es Mord und Raub sind. Sie schließen kein Unrecht gegen eine andere Person ein und sind somit von untergeordneter Bedeutung. Die eigentliche Sünde von Bruder Emund ist, dass er die Sache an die große Glocke hängt.«
    »Wie sollte man aber mit den Sodomitern Eurer geschätzten Meinung nach verfahren?«, begehrte ich zu wissen. »Schließlich verdienen sie den Tod sowohl nach dem Recht, das Gott Moses gab, als auch nach dem Recht der Sarazenen. Es steht geschrieben: Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben. Und die Rechtsgelehrten unter den Anhängern Mohammeds stimmen darin überein: Auf Verkehr zwischen Männern steht als Strafe die Steinigung der beiden Schuldigen.«
    »Unser Herr und Bruder aber hob das Gesetz auf und stiftete den neuen Bund, indem er sagt: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein« , sann Albertus nach. »Sodomie heißt die stumme Sünde, weil wir über sie zu schweigen haben. Wenn es jedoch zu einem öffentlichen Ärgernis kommt, war es von alters her Sitte, einen solchen Bürger aus der Stadt zu verbannen. Alles andere ist der unchristlichen Härte der minderen Brüder geschuldet, die ein Frevel wider die Sanftmut des heiligen Franziskus darstellt. Denn es steht geschrieben: Herr, vergib mir meine Schuld, wie ich vergebe meinen Schuldigern.«
    »Straft uns Gott denn nicht«, beharrte ich, »wie er damals Sodom und Gomorrha strafte? Straft er uns nicht, wie Bruder Emund meinte, im Namen der vielen ungeborenen Kinder?«
    »Nur einem elenden Minorit kann ein dergestalt vermaledeiter Unsinn aus dem Maul sabbern!« Der alte Mann erregte sich dermaßen, dass es ihn nicht mehr auf dem Stuhl hielt und er sich auf seine wackeligen dürren Beinchen stellte. Diese Anstrengung verschlug ihm den Atem und er konnte nicht weitersprechen. Magister Albertus hielt inne, holte keuchend Luft, setzte sich und fuhr nun wieder ruhig fort: »Unser Sohn, sollten all die Samen, die aus den reifen Früchten auf den Boden fallen, ohne dort zu gedeihen, Anklage gegen Gott erheben? Sollten all die Samen der Tiere, die kopulieren, ohne Nachkommen zu zeugen, Anklage gegen die Natur erheben? Sollten all die Samen von Männern, die ihren Frauen beiwohnen, ohne dass diese furchtbar sind, Anklage gegen das Ehegesetz der heiligen katholischen Kirche erheben, das zur Treue verpflichtet, auch wenn Gott ihnen Kinderlosigkeit verordnet hat? Der selige Franziskus predigte den Vögeln, wie man sagen hört; seine Anhänger von heute aber wissen nicht das Geringste von der Natur, wie Gott sie geschaffen hat!«
    »Ich verneige mich vor Eurer Gelehrtheit, o Magister«, sagte ich ehrfürchtig, weil ich selten eine so scharfsinnige Beweisführung gehört hatte.
    »Nun zur beklagenswerten Kenntnis der heiligen Schrift, die dieser Pfennigspfaffe zur Schau stellt«, donnerte Magister Albertus. Ich staunte, woher er die Kraft in seiner Stimme nahm. »Was sagte Abraham zum Herrn, erstes Buch Moses, Kapitel achtzehn, Vers fünfundzwanzig?«
    Ohne überlegen zu müssen, antwortete ich: »Es steht geschrieben: Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte
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