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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs
Autoren: Stefan Blankertz
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wird.«
    »Ein minderer Bruder!«, schmatzte Magister Albertus und verzog verächtlich den Mund. »Nehmt euch vor ihm in acht und misstraut seinen Reden!«
    Als sich einige Brüder erhoben, um zum Neumarkte aufzubrechen, wandte sich Herr Wido an mich: »Johannes, mein Sohn, bist du dir ganz sicher, dass Magister Thomas die Rohrdrommeln den Fischen gleichgestellt hat?«
    »Ehrwürdiger Vater«, antwortete ich sehr bestimmt, »ich bin mir nicht nur sicher, sondern ich habe es mit eigenen Ohren gehört.«
    »Unser guter Thomas«, murmelte Bruder Albertus, der wohl das Gespräch mitbekommen hatte, »wir danken dir. Wir haben doch immer gewusst, wie unfassbar großen Geistes du bist!«
    Wir drängten nun aus dem Saal und ich gewahrte noch, wie Herr Wido mit voller Freude in die übrig gebliebenen Reste griff, um sich nach Herzenslust zu sättigen.
    Draußen war es sehr hell und wie immer, wenn ich aus dem Dunkel des Klosters trat, brauchten meine Augen eine Weile, bis sie sich daran gewöhnt hatten. Da wir uns nach Westen gen Neumarkt wenden mussten, schauten wir beständig in die grelle Sonne. Deren Wärme tat mir indessen wohl, denn die Klostermauern halten auch des Sommers eine Art klamme Kälte für ihre Bewohner bereit, die, wie mein Meister Arab zu tadeln pflegte, der Gesundheit allemal abträglich ist.

    Es befanden sich, vom schönen Wetter begünstigt, gar viele Leute auf dem Neumarkt, denn Bruder Emund war bekannt dafür, eine kraftvolle, dem Volke überaus verständliche Sprache zu führen. Kannengießer, Schuster, Gerber, Leinweber und andere Handwerker hatten ebenso wie die Händler, die Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse, Tücher oder Gewürze feilboten, die Gelegenheit genutzt, ihre mühselige Arbeit zu unterbrechen. Bauern waren zusammen mit ihren Weibern, Knechten und Mägden vom Feld gekommen, und natürlich fehlten auch nicht das Bubenvolk und andere Müßiggänger, immer auf der Suche nach Unterhaltungen, um Gottes kostbare Zeit totzuschlagen. Es gab ein lärmendes und buntes Gerangel und der ganze Platz war erfüllt von dem Geruch, der unweigerlich entsteht, wenn sich zu viele Menschen auf zu engem Raume befinden. Als ich mit einigen der Mitbrüder eintraf, war die Predigt schon in vollem Gange. Ich hörte Bruder Emund, an seiner braunen Kutte und der Barfüßigkeit unschwer als Minorit zu erkennen, das erste Mal, doch mir däuchte, dass ich die große, hagere Gestalt mit dem einfältigen Gesicht und der viel zu kleinen Stupsnase schon einmal gesehen hatte. Ich konnte mich allerdings nicht erinnern, wo und wann das gewesen sein konnte. Für Bruder Emund war ein hölzerner Turm errichtet worden, der ihm als Kanzel diente. An der Seite des Turmes wehten Banner, um den Zuhörern die Windrichtung anzuzeigen, damit sie wussten, nach welcher Seite seine Worte am besten zu hören seien.
    Die Stimme von Bruder Emund war volltönend, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu selbstgerecht, so als gebreche es ihm an der geziemenden Demut.
    »Wenn ich also zu euch spreche über die Sünde, liebe Kölner Christenmenschen«, rief Bruder Emund gerade, als wir in Hörweite kamen, »dann fragt ihr mich wohl: Sag, Bruder Emund, wie riecht diese Sünde? Etwa wie fauliges Aas?
    Darauf aber antworte ich: Nein!
    Ihr fragt sogleich: Wie verfaulter Käse? Und wieder sage ich: Nein!
    Also fragt ihr mich: Riecht sie denn wie fauliger Fisch? Nein, das tut sie auch nicht, entgegne ich euch.
    Und weiter fragt ihr: Stinkt sie etwa nach Mist?
    Nein, nein, das alles ist falsch. Die Sünde riecht danach, dass ihr dem Tode nahe seid. Ja, ihr habt recht gehört: dem Tode nahe! Ihr, ihr alle, die ihr hier versammelt seid, ebenso wie die, die unbeirrt ihrem Tagewerk nachgehen, ihr alle hier in Köln seid dem Untergang geweiht! Das aber sage ich euch also! Da nämlich fragst du dich vielleicht, Adelheid«, Bruder Emund zeigte auf ein vor ihm stehendes junges Weib, »ist die Sünde meiner unzüchtigen langen Haare und meines unkeuschen Putzes so groß, als dass ich Unglück bringe über alle meine lieben Mitbürger? Nein, antworte ich. Gehe in dich, werde stille und komme zurück auf den Pfad der christlichen Tugend, die gottgefällig ist, aber sorge dich nicht zu sehr: Denn, das sage ich euch, die Verzweiflung, sie ist auch eine Sünde. Die Sünde, von der ich spreche, ist eine Sünde, die mich stumm macht. Ihr werdet es mir nicht glauben, da ihr wisst, wie gut ich mein Maul zu gebrauchen verstehe, das mir der Herr in seiner Gnade gegeben hat,
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