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Die Fliege Und Die Ewigkeit

Die Fliege Und Die Ewigkeit

Titel: Die Fliege Und Die Ewigkeit
Autoren: Hakan Nesser
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reichlich. Es ist an diesem Abend in der Stammkneipe in Pampas so eng, dass man den kleinen Erinnerungstisch mit der Urne, der Silberurne, zur Seite schieben muss.
     
    D.O.M
R.I.P.
     
    Duchess of Malfi. Requiescat in pace. Natürlich hat man ihn nicht weggestellt. Nur ein Stück weiter in die Ecke, so dass die lange Tafel Platz hat.
    Die lange Tafel mit der weißen Leinentischdecke. Die Kandelaber und zwei große Obstkörbe. Portwein und Nüsse, Brotstückchen und kandierte Mandeln sind bereits aufgetischt, als die Gäste eintreffen. Maertens ist in den Details sehr genau gewesen.
    Nachdem er alles inspiziert hat und das Programm mit Freddy durchgegangen ist, geht er nach Hause und macht sich bereit. Er duscht und zieht sich um. Taucht erst wieder auf, als alle bereits sitzen: Istvan und der Chinese und die Schwester des Chinesen ... Ingrid, Istvans Frau, und Nadja natürlich ... Bernard und Marie-Louise Kemp. Man kann bereits sehen, wie sich der Portwein in ihren Augen spiegelt. Maertens weiß, dass sie Freddy schon aufgefallen ist ... Eine schöne Frau, denkt dieser sicher. Warum hat sie uns bisher nie besucht? Zweifellos beschließt er, sie ganz besonders gut zu bewirten, ihr nur das Beste zu geben ... und Birthe und Wilmer Hingsen ... Er sieht immer noch ein wenig unbeholfen aus, der gute Prediger, doch Grete schenkt ihm reichlich Wein ein und legt ihm jedes Mal, wenn sie vorbeikommt, ihre mütterlich festen Hände auf die hochgezogenen Schultern, so dass es wohl gut gehen wird .... und Doktor Soerensen und Leon Markovic, und oben am Tischende zwei leere Plätze, so dass Freddy und Grete sich auch wirklich ab und zu hinsetzen können, insbesondere wenn Maertens seine Rede hält, dieser Punkt war ihm besonders wichtig, und da er ja nun wirklich ein Stammgast in diesem Refugium für ruhelose Seelen ist, so sind sie ihm auch in diesem Punkt entgegengekommen, Freddy und seine liebe Ehefrau, auch wenn es nicht so einfach gewesen ist, an einem Abend wie diesem freie Stühle zu finden. Wahrlich nicht einfach.
     
     
    Aber seine Rede hält er erst, nachdem einige Stunden vergangen sind. Nachdem alle reichlich und gut gegessen und getrunken haben. Tintenfisch und Fausses Grives mit gebackenen Pilzen und Gretes raffinierten Sabayon Noir. Leichten, luftigen Elsässer Wein, dunkles Bettelheimer Bier und einen schweren, gehaltvollen Bourgogne ... nachdem man sich nach rechts und links ausgiebig vorgestellt und präsentiert hat, sich rotwangig geplaudert hat, unbeschwert und schlagfertig über Dinge zwischen Himmel und Erde, über Straßenbahnschienen, die wieder einmal verlegt werden sollen, über die Kunst, eine Nebenhöhlenentzündung zu heilen, indem man Salz in der Bratpfanne erhitzt, über Cézannes Ehefrau, die ein ungemein geduldiges Exemplar einer Frau gewesen sein muss, über Fußball, diese schönste aller Künste, über den lichtscheuen Werner Klimke und sein vermeintliches Verhältnis mit der Ballettprimadonna Elina Gawenska ... Man hat zu Istvans Klavierbegleitung Volkslieder gesungen, sogar ein paar Runden zwischen den Tischen gedreht, natürlich nicht alle, aber doch der eine oder die andere ... Ja, erst als alle diese behagliche Schwere im Körper spüren, diesen warmen Glanz in den Augen haben, diese ätherische Leichtigkeit der Seele, diese entspannte Stirn, da ... ja, da schlägt Maertens an sein Glas, und er muss es wiederholte Male tun, bevor die allgemeine Konzentration und Ruhe sich einstellt ... und bittet darum, ein paar Worte sagen zu dürfen, von denen er hofft, dass sie sie sich zu Herzen nehmen werden.
    »Meine lieben Freunde!«, sagt er. »Wenn ich mich nicht vollkommen irre, dann ist es heute das letzte Mal, dass wir uns sehen, und deshalb habe ich euch hier zusammengerufen. Ich hoffe, ihr habt einen schönen Abend.«
    Aus dem Augenwinkel heraus kann er sehen, dass Bernard bereits sein Glas erhoben hat, um zu protestieren, doch Marie-Louise Kemp legt ihm die Hand auf den Arm, und er schweigt.
    »Morgen werde ich von hier aufbrechen«, fährt Maertens fort. »Ich weiß nicht, ob meine Reise lang oder kurz sein wird, ich weiß nicht, ob ich eines Tages zurückkehren werde oder nicht, aber so sind nun einmal die Bedingungen. Fünfzehn Jahre lang habe ich in dieser Stadt gelebt, seit ich zurückgekommen bin, ihr, die ihr hier sitzt, ihr seid die einzigen Menschen, die ich kenne. Übrigens einen Teil von euch nicht so besonders gut. Ich will nicht verschwinden wie eine Fußspur im Wasser
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