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Die Fliege Und Die Ewigkeit

Die Fliege Und Die Ewigkeit

Titel: Die Fliege Und Die Ewigkeit
Autoren: Hakan Nesser
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oder wie ein Dieb in der Nacht, das ist der Grund dafür, dass es mir wichtig war, euch heute Abend hier zu haben. Das Leben ist das, was wir daraus machen, unabhängig davon, wo wir geboren werden, und unabhängig davon, wie wir es verlassen, und unser Trachten dabei verdient mit dem allergrößten Respekt behandelt zu werden ... doch ein Sturm ist ein Sturm, und ein sonnengewärmtes Stück Baumrinde enthält mehr Antworten als all die Fragen, die wir uns träumen können, gestellt zu haben. Fragt mich nicht, was das bedeutet, und fragt auch Bernard nicht, denn er wird nur antworten, dass alles im Auge des Kamels zu lesen steht. Ich will euch mit diesen Worten nur für alles danken, was gewesen ist, und wünsche euch alles Gute für die Zukunft. Von jetzt an werde ich wieder meinen richtigen Namen annehmen, der, wie einige wissen, Leon Delmas lautet. Einen ganz besonderen Dank an Grete und Freddy. Möge der Brunnen eurer Gastfreundschaft nie versiegen! Und Bernard, darf ich dich darum bitten, diesen Brief entgegenzunehmen?«
    Er legt ihn vor sich auf den Obstkorb.
    »Und zum Schluss, liebe Freunde ... Prost! Und versucht nicht, mich aufzuspüren!«
    Und bevor sie sich noch recht besinnen, bevor der Chinese überhaupt einen weiteren Toast ausbringen kann, bevor Bernard sich von seinem Platz erheben kann, um ihn aufzuhalten, ist er bereits aus der Tür. Ist er draußen auf der Straßen und eilt mit schnellem Schritt davon.
    Fast wie Hockstein, kommt ihm in den Sinn.
     
     
    Und als er später mit einem Bier und einer Zigarette am Küchentisch sitzt und das Telefon klingeln lässt, weiß er, dass genau hundert Tage vergangen sind, seit es damals im Januar klingelte.
    Hundert Tage.
    Es ist wie immer.
    Die Zeit hat kaum eine Bedeutung.
     

43
     
    E in heißer Tag. Sicher, sie hat einen Vorsprung, doch das kümmert ihn nicht.
    Er wird sie finden, vielleicht bereits heute.
    Vielleicht ist er bei ihr, wenn die Abenddämmerung einsetzt. Vielleicht wird es Tage dauern. Monate oder Jahre. Es hat keine Bedeutung.
    Ohne Hast wandert er, seine Schritte sind leicht. Ein heißer Tag, wie gesagt, nur eine leichte Brise kommt vom Meer, der Strand liegt unendlich still und leer. Die Möwen schweben weit draußen hoch über dem Wasser, in einer Sphäre so fern, dass er sie fast nicht sehen kann. Nur ihre geheimnisvollen Rufe hört er.
    Die Sonne steht genau im Süden.
     
     
    Der schwarze Mauerrest ragt immer noch aus der Asche hervor, die Behörden haben eine kleine Absperrung errichtet. Sie haben rundherum einen Kreis aus Eisenstäben eingeschlagen und ein rotweißes Plastikband dazwischengebunden, es flattert in dem leichten Wind.
    Er legt seine Aktentasche hin und bleibt eine Weile stehen. Steht da und betrachtet die Zerstörung ein paar Minuten lang, doch sie weckt keine Gedanken in ihm.
    Er zieht sich den Pullover aus, hängt ihn sich über die Schulter und geht zum Strand hinüber. Bald befreit er sich auch von Strümpfen und Schuhen und geht barfuß im Sand, hinunter zur Wasserlinie.
    Dort geht er weiter und schaut über das unveränderliche Meer, die Aktentasche wiegt fast nichts in seiner Hand.
    Anderes Gepäck führt er nicht mit sich. Nur eine Aktentasche mit ein paar Büchern, zwei Flaschen und einer unhandlichen Menge an Scheinen. Wieviel genau, das weiß er nicht, und das wissen auch Birthe oder Pastor Wilmer nicht, denn es handelt sich um eine nicht gezählte Kollekte. Keine Münzen glücklicherweise, nur dünne, abgegriffene, zerknitterte Scheine, die von den Schäfchen des Reinen Lebens in den Klingelbeutel versenkt und von ihrem Hirten dort wieder herausgeholt worden waren.
    Ob sie wohl wissen, wohin ihr Gotteslohn gelangt ist?, überlegt er.
    Vermutlich nicht, aber das soll ihm auch gleich sein.
     
     
    Bei Punkt 212 bleibt er plötzlich stehen. Da ist etwas. Er schaut sich um. Schaut aufs Meer hinaus, über das Land. Wittert in der Luft.
    Dann biegt er ab. Klettert über den vorspringenden Strandabhang, durchquert den schmalen Waldgürtel mit verkrüppelten Kiefern und kommt auf die Heide.
    Ja, das ist der richtige Weg, denkt er.
    Vielleicht zögert er anfangs noch etwas, doch sobald er die Steinmarkierung am Ende des langgezogenen Abhangs erreicht, ist er sich sicher. Ihr Weg erscheint ihm ebenso klar, als sähe er sie vor sich. Als befände sie sich nur ein paar hundert Meter entfernt weiter oben am Steinhügel, und es erscheint ihm überhaupt nicht merkwürdig.
    Als er oben ist, ist er ziemlich außer
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