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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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    Ludék Pesek
    Die Erde ist nah

    Vorbei sind die Zeiten, in denen hinter dem Ozean ein namenloses Festland lag, und hinter ihm wieder ein namenloser Ozean, die Zeiten, die nach Gewürzen dufteten. Ich erinnere mich, wie ein Rollenzug an die Rahe schlug, damals bei den Kapverdischen Inseln, während der Wind in den Tauen ein beunruhigendes Lied pfiff; und dann gab es nur noch Wasser und Wasser, eine unendliche Wassermenge von Horizont zu Horizont, die in der stillen Mittagsglut glänzte wie ein Ozean aus Quecksilber. Wochenlang ein bewegungsloser Ozean, und dann eine schwache Brise, fast nur ein Hauch, der kaum die schlaffen Segel blähte! Und doch war es der Atem des erwachenden Windes, der uns fontrieb . . . Fort von allem Gewohnten; wie lange ist das schon her! Am Kap Hoorn war es mittags finster wie in der Nacht. Über dem von schäumenden Wellen umspülten Bug erhob sich ein salziger Nebel, und an den schwarzen Felsen brüllte das hungrige Meer. Vielleicht war es gar nicht das Meer, das wir nicht kannten und das kennenzulernen wir wahnsinnig ersehnten, auch um den Preis des Lebens. Mein Gott, wie lange ist das schon her, als wir inmitten des unendlichen Ozeans dünngeschnittene Riemen kauten, mit lockeren Zähnen in dem ausgetrockneten Mund, in dem die geschwollene Zunge wie ein Korkstöpsel tanzte. Doch da kam das lebenspendende Gewitter. Elmsfeuer, das Feuer des heiligen Elias, züngelte an allen Masten, an allen Rahen. Himmlisches süßes Wasser floß von den Segeln in den entzündeten Schlund. Das war ein Durst! Ein Durst nach Leben. Was sage ich da - nach Leben? Wer nach Leben dürstete, der blieb in Lissabon, in Palos oder Cádiz. Dieser schreckliche, dursterweckende Pfeffer war aus anderen Körnern gestampft, die irgendwo weit hinter dem Horizont wuchsen. Und kein anderer hat ihn gekostet als wir, die wir den namenlosen Ozeanen und den unbekannten Ländern Namen gegeben hatten.
     
    Eine lange Fahrt
     
    1
     
    Unsere lange Fahrt beginnt mit Feuer, dem uralten Symbol der Eroberer. Wie eine schäumende Furche schwindet hinter dem Raumschiff in der Tiefe des schwarzen Ozeans ein Streifen brennender Gase, während der Bug zu den strahlenden Lichtern der Sterne zielt.
    Ich versuche, mich an etwas Festem zu halten. Die Gedanken aber schwanken im Spinngewebe der Unsicherheit, und fest ist nur das Metall des Stuhls, an dem ich festgeschnallt bin. Obwohl ich nicht allzu persönlich werden möchte, glaube ich doch, als Arzt der Expedition, die eigenen Gefühle vor mir nicht verheimlichen zu dürfen, wenn ich die Gefühle anderer verstehen will. Ich weiß, daß man später viele Dinge mit Fahnen, Lorbeerkänzen und großen Worten verschleiern kann. Ich weiß auch, daß ein Zusammenspiel von glücklichen und unglücklichen Zufällen sowie ausdauernde Arbeit und ständige Entsagung mir in die Reihe der Weltraumeroberer verholfen haben.
    Ist es aber wirklich möglich, nur maßlose Freude zu empfinden, weil ich die Grenzen der menschlichen Welt mitverschieben darf? Ich bin Skeptiker und glaube, daß die Grenze der menschlichen Welt im Weltraum nicht eher verschoben werden wird als die Grenze der inneren Welt des Menschen. In den Minuten, da ich im Antigravitationsstuhl sitze und der Überdruck auf meiner Brust lastet und die Luft aus den Lungen preßt, denke ich allerdings nicht an Moral. Man kann überhaupt nicht denken. Ich fühle nur eine Bleimasse, die alle Höhlen der Gehirnschale ausfüllt. Es dauert aber nicht lange, und die Schwere beginnt in einen erleichternden Schmerz zu zerfließen und sich allmählich in den Zustand federhaft weicher Schwerelosigkeit zu verwandeln. Auf der Netzhaut des Auges glänzt etwas. Die Gedanken schweben, und es entsteht das Bild eines Hafens, aus dem ein Konvoi von Segelschiffen ausfährt. Vielleicht ist dieser Hafen Lissabon . . . Über der Reling des Schiffes sehe ich eine bunte, Abschied winkende Menschenmenge. Vielleicht zu einem Abschied für -immer. Doch es ist süß . . . Über dem Kopf ächzen die Masten, und das Vordersegel knistert im scharfen Morgenwind. Möwen kreisen um das Schiff, und ihre krächzenden Stimmen sind kaum vom Ächzen der Taurollen zu unterscheiden. Der Hafen wird immer kleiner, die weiße Stadt verwandelt sich in ein Bild, in ein Bildchen der Küste und des Himmels. Dann bleibt nur noch ein weißer Strich über dem Horizont, nur das unendliche Blau oben und unten, und ein endloses Schaukeln . . .Das Aufblitzen des grünen Lichtes am Schaltbrett vor
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