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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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Mond. Zum Glück waren in diesen Stunden alle Mitglieder der Expedition so beschäftigt, daß sie keine Zeit hatten, daran zu denken, wie weit sie sich in jeder Sekunde von der Erde entfernten. Für keinen von uns war es neu, die Erde als eine sich im schwarzen Raum verkleinernde Kugel zu sehen. Doch diesmal kam noch etwas anderes, etwas völlig Neues hinzu . . .
    Der letzte silberglänzende Zylinder entfernte sich langsam, während der zuerst abgestoßene Behälter nur noch als leuchtender Stern am schwarzen Horizont glänzte.
    2
    Die unbewegliche Sonne leuchtet grell. Sie geht weder auf noch unter. Ununterbrochen strahlt sie unermeßliche Mengen von Energie in den Raum, von dem man sagt, daß er leer sei. Die Instrumente an Bord des Mutterschiffes verzeichnen jedoch unbeirrt Mikrometeoriten, kosmischen Staub, Gase und Strahlungen. Für das menschliche Auge gibt es allerdings außer der Masse des Schiffes nichts, woran es sich festhalten könnte. Eine gefährliche Leere.
    Der Rhythmus des menschlichen Lebens, der Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen Arbeit und Erholung darf jedoch nicht unterbrochen werden. Die Borduhr zeigt die weiße Tageszeit, die blaue Nachtzeit und das Datum des Erdtages. Diese Uhr bestimmt auch den Dienstwechsel.
    Um acht Uhr früh betritt Kapitän Norton meine Ordinationskabine. Er sieht müde aus, doch welch ein Wunder - er lächelt. Sein Gesicht ist sorgfältig rasiert wie immer. Nach dem Kapitän kommt McKinley zum Test. Wie immer, fällt es ihm schwer, ernst zu bleiben. Ständig muß er sich über etwas lustig machen. Meine Ordination nennt er Irrenanstalt und prophezeit mir eine große Zukunft, sobald die Pillen, mit denen ich die Expedition füttere, zu wirken beginnen. Nach McKinley kommt der Astrophysiker Wellgarth, dann der leitende Techniker Glennon; und so geht es bis zum Mittag. Dann folgt eine zweistündige Pause mit Mittagessen und Erholung. Weil der tägliche Test eines Mannes in dieser Phase fast dreiviertel Stunden dauert und die Expedition zwanzig Mitglieder zählt, haben Watts und ich alle Hände voll zu tun.
    Die Besatzung des Mutterschiffes besteht aus zehn Mann. Auf den fünf Lastschiffen befinden sich je zwei Mann, die sich täglich im Dienst mit der Mannschaft auf dem Mutterschiff ablösen. Unter anderem auch deshalb, damit der Aufenthalt in den engen Räumen und bei den spezifischen Bedingungen des Fluges keine psychischen Komplikationen im Zusammenleben hervorruft. Für die Haupterholung und den Hauptschlaf der Besatzung sind der größte Raum des Mutterschiffes und eine Reihe von Schlafkabinen bestimmt, die mit Klimatisationsanlagen ausgestattet sind und den Expeditionsteilnehmern ermöglichen, ohne Raumanzug auszuruhen. Für die Dauer des Fluges muß man sich jedoch mit dem unangenehmen Zustand der Schwerelosigkeit abfinden. Wenn ich schon von der das leibliche Wohl der Expeditionsmitglieder betreffenden Ausstattung spreche, muß ich noch erwähnen, daß für die tägliche Hygiene sich jeder von uns mit Waschpaste begnügen muß. Obwohl das System des geschlossenen Wasserzyklus einwandfrei arbeitet, stellen die zehn Tonnen Wasser auf jedem Lastschiff nur das Lebensminimum für die gesamte Expedition dar. Eine Wanne voll heißen Wassers bleibt jetzt für lange Zeit unsere Fata Morgana.
    Um zwei Uhr nachmittags erschallte aus dem Lautsprecher eine Meldung für die ganze Besatzung. Jenkins teilte die Entscheidung des Kapitäns mit, daß für die Zeit von drei Tagen niemand von den Expeditionsmitgliedern, außer dem Astrophysiker Wellgarth und dem Planetologen Compton, das Observatorium betreten dürfe. Gleich danach meldete Jenkins, daß der Kapitän den Mechanikern Mack Sheldon und Irwin Trott eine öffentliche Rüge erteilt habe. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. Mir fiel ein, daß sich vielleicht Wellgarth und Compton über Störung bei der Arbeit beschwert hatten. Diese Annahme lehnte ich jedoch sofort ab, denn die beiden hätten kaum eine solche Handlungsweise gewählt, weil es genügen würde, den Eintritt in das Observatorium zu verbieten, solange Wellgarth und Compton dort arbeiteten.
    Als dann Sheldon zum Test kam, erfuhr ich die wahre Ursache des Verbots. Der zweite Mechaniker, Trott, hatte nach der erschöpfenden Arbeit im schweren Raumanzug bei der Demontage der Hilfsbehälter acht Stunden frei zur Erholung. Den Großteil dieser Zeit verbrachte er im Observatorium am Teleskop und betrachtete die langsam dahinschwindende Erde. Die Ermüdung
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