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0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

Titel: 0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Paul Ernst Fackenheim
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Es war ein Morgen, an dem ich schon früh ins FBI-Building kam. Phil war noch nicht da, und so machte ich einen Besuch bei Neville, dem Veteranen unseres Vereins. Als ich eintrat, hob er seinen grauen Kopf von einem Stoß Akten.
    »Hello, Jerry. Kommst du auch einmal wieder zu dem alten, abgehalfterten Knacker?«
    »Klar«, sagte ich. »Man muss sich seine Freunde warm halten. Gibt’s was Neues?«
    »Was soll’s schon Neues geben?«, knurrte er. »Es gibt überhaupt nichts Neues mehr. Ichhabe geglaubt, du wüsstest etwas. Wo hast du dich gestern herumgetrieben?«
    »Du wirst lachen, im Wachsfiguren-Kabinett.«
    »Kenne ich. Wenn ich Sehnsucht nach der guten alten Zeit bekomme, in der die Pistolen noch locker saßen, dann gehe ich auch hin und betrachte mir meine alten Freunde… Ja, ja… Das waren noch Zeiten!«
    Ich unterbrach ihn schnell. Ich hätte mir sonst für die nächste halbe Stunde anhören müssen, wie es zur Zeit der Prohibition und der Alkoholschmuggler zugegangen war. Ich kannte die Geschichte schon auswendig.
    Das Telefon läutete. Neville meldete sich und reichte mir den Hörer.
    »Für dich, Jerry.«
    »Hello.«
    »Lieutenant Crosswing, City Police«, meldete sich eine Stimme am anderen Ende. »Sind Sie das, Cotton? Kommen Sie sofort in die 25th Avenue. Sie haben Pete Rovelli umgelegt. Er lebt noch, vorläufig noch, und der will Sie sprechen. Aber beeilen Sie sich. Lange macht er nicht mehr mit.«
    »Okay.« Ich legte auf und griff nach meinem Hut.
    »Was ist los?«, fragte Neville.
    »Es hat Rovelli erwischt, den Privatdetektiv. Ich muss sofort hin.«
    »Tut mir Leid um den Burschen.«
    »Ihm wird es noch viel mehr Leid tun«, brummte ich und war im nächsten Moment draußen.
    Ich holte meinen Jaguar vom Parkplatz, schaltete Rotlicht und Sirene ein und brauste los. Pete Rovelli war Italiener, ein Wop, wie böswillige Leute sagen, aber er war mein Freund, einer der Leute, auf die man sich verlassen kann. Er war ein Privatdetektiv, aber einer, der niemals krumme Sachen machte. Er kannte die East Side wie seine Hosentasche und hatte mir schon machen Tipp gegeben. Ich selbst war inzwischen in der Gegend von Bowery schon reichlich bekannt geworden, und es ist klar, dass die Mobster einem FBI-Mann gegenüber geneigt sind, ihren Mund zu halten. Bei Rovelli hatten sie weniger Hemmungen, und ausgerechnet diesen anständigen Kerl hatte einer aufs Korn genommen.
    Das alles ging mir durch den Kopf, während ich Madison Square überquerte, und dann sah ich schon von weitem den Wagen der Mordkommission stehen. Das Haus Nummer 31 war ein altes Hotel, das einmal, modern gewesen war, als man die Taxi Cabs einführte. Es lag eingequetscht zwischen neuen Geschäftshäusern. Am Eingang standen zwei Cops, die mich passieren ließen, als ich ihnen meinen Ausweis unter die Nase hielt.
    »Zweiter Stock«, rief mir der eine nach.
    Ich wartete nicht auf den Lift, sondern nahm immer zwei Stufen auf einmal. Die Tür zu Zimmer 67 stand offen. Auf dem Bett lag Pete Rovelli, und um ihn herum standen ein paar Leute, der Lieutenant, den ich kannte, der Arzt, der noch die leere Injektionsspritze in der Hand hielt, und zwei Tecks der Stadtpolizei. Petes Gesicht hatte eine gelbliche Farbe. Die Nase sprang lang und wächsern hervor, und auf der Stirn standen ein paar Schweißtropfen. Um die Brust war ein blutgetränkter Verband geschlungen.
    Der Lieutenant winkte, und dann berührte er den Sterbenden leise an der Schulter.
    »Cotton ist hier.«
    Unendlich langsam öffnete mein Freund Pete die Augen. Er versuchte zu lächelnd, aber es wurde eine Grimasse daraus.
    »Tut mir Leid, Pete«, sagte ich. Das Sprechen fiel mir schwer. »Du hast nach mir verlangt.«
    »Hör zu, Jerry«. Seine Stimme war leise, aber klar. »Du musst dich um Milly kümmern. Willst du mir das versprechen?«
    »Selbstverständlich, aber ich möchte wissen, wer dich angeschossen hat und warum.«
    »Gib mir eine Zigarette«, bat er.
    Ich blickte den Arzt an, und der nickte. So holte ich eine Lucky aus der Packung; ließ das Feuerzeug aufschnappen und setzte sie in Brand.
    »Hier, Pete.« Ich wollte sie ihm zwischen die Lippen stecken, aber dann sah ich seine Augen.
    Pete Rovelli war um die letzte Zigarette gekommen. Er würde mir auch nichts mehr verraten können. Pete war tot.
    Ich sah den Lieutenant an, und der zuckte resigniert mit den Schultern.
    »Zu spät.«
    Ich schluckte. Es war schon schlimm genug, dass sie Pete ermordet hatten, das Schlimmste aber war,
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