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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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Abend sehr gut aus. Als am nächsten Tag die Besatzungen von den Lastschiffen in das Mutterschiff kamen, erklärten sie, daß man ein solches Kabarett jeden Abend senden sollte.
    Der eintönige Ablauf der Zeit, ohne Tag- und Nachtwechsel, ohne Sonnenaufgang und -Untergang, ohne Wolken, ohne rauschende Blätter, umspülte unsere Gefühle, als wollte er uns die Gestalt von flachen Steinen verleihen. Stunde um Stunde schliff er den Reichtum individueller Formen ab, mit denen der Geist jedes Menschen ausgestattet ist. Zwanzig Tage, vierzig Tage - solche Tage sollten noch mehr als zweihundert folgen. Die Romantik dieses menschlichen Abenteuers schwand aus unseren Gedanken. Der Blick durch die Sehschlitze in die schwarze Öde wirkte verheerend. Einmal kam mir bei diesem Anblick selbst der Gedanke, daß wir auf einem Fleck im Raum stehen, festgehalten von einer unbekannten Gewalt, in einem unbekannten Feld der Anziehungskraft, an einem Punkt, in dem die Kraft der Trägheit neutralisiert ist, im Nullpunkt der Kräfte, wo alles gleich Null ist. Das war natürlich ein ungeheuerlicher Unsinn. Ich erschrak jedoch vor diesem Gedanken, weniger wegen seines Inhalts als darüber, daß er mir überhaupt eingefallen war. Ich vergegenwärtigte mir, daß uns eine wirklich schwere, lange Fahrt bevorstand.
    Die theoretisch beste Vorbeugung gegen die kosmische Krankheit soll konzentrierte Arbeit sein. Das haben wir Ärzte immer behauptet. Auf der Erde. Auf der Erde funktioniert alles gut. Aber ein interplanetarer Flug läßt sich nicht simulieren: Beim Training fehlt die Hauptsache, der ununterbrochene und aufreibende Druck der Wirklichkeit. Schließt zwanzig Menschen in einen unterirdischen Tresor ein, eventuell ein Jahr lang. Sie haben dort Arbeit, Speisen, Getränke, Luft, Unterhaltung - und das Bewußtsein, daß sie, wenn es unerträglich wird, alles liegen- und stehenlassen und in die große Welt zurückkehren können. Schickt sie ein Jahr lang auf einen Übungsflug um die Erde. Sie werden die ganze Zeit im Zustand der Gewichtslosigkeit schweben, alle Tests ertragen, alle Aufgaben erfüllen wie beim Flug zu einem anderen
    Planeten, aber heute oder morgen können sie den Flug abbrechen und unter den bewölkten Himmel zurückkehren. Wir aber können nicht früher zurückkehren als nach neunhundertsechzig Tagen. Wenn alles gut verläuft. Dieser Nachsatz hat großes Gewicht.
    Ein ausgezeichnetes Mittel zur Erhaltung des seelischen Gleichgewichtes aller Expeditionsmitglieder sind gemeinsame Gespräche. Deshalb stehen alle Kabinen aller Schiffe nicht nur durch Lautsprecher, sondern auch durch Mikrophone in Verbindung, so daß auch die Besatzung der Lastschiffe an den Gesprächen teilnehmen kann; denn ihr Dienst war in dieser Phase des Fluges verhältnismäßig leicht, wenn man die damit verbundene Eintönigkeit nicht eher als erschwerend bezeichnen will.
    Wir unterhielten uns zum Beispiel über Fragen, die den Aufenthalt auf dem Mars betrafen, ein Thema, das immer wieder Leben in alle Teilnehmer der Expedition brachte. Oder über technische Fragen der zukünftigen Kosmonauten. Dies war ein Steckenpferd von Kapitän Norton. O'Brien lenkte das Gespräch gerne auf philosophische Gebiete. Das war zwar meist sehr anspruchsvoll, aber interessant. Manchmal gerieten die Abendgespräche mit philosophischen Themen völlig auf Abwege; von interplanetaren Beförderungsmitteln gingen wir auf irdische Automobile über, und es entstand eine leidenschaftliche Diskussion über die Leistungen von Sportwagen. Auch die Kochkunst war oft Gegenstand unseres Gesprächs, was in Anbetracht unserer Verpflegung weiter kein Wunder war. Einmal, nach einer sehr überzeugenden Schilderung Watts, der schon während seiner Studien ein Matador in der Zubereitung pikanter gegrillter Fleischspeisen war, stimmten wir alle dafür, ihn über Bord zu werfen. McKinley wählte einmal als Thema die unmöglich rückständige Herrenbekleidung und unterzog sie einer unbarmherzigen Kritik. Er drohte, nach seiner Rückkehr auf die Erde einen Modesalon zu eröffnen und die Marsmode einzuführen. Alle diese ernsten Gedanken und ebenso das unsinnige Geschwätz übten auf uns eine wohltuende Wirkung aus.
    Am achtundfünfzigsten Tag unseres Fluges veranstalteten wir einen kleinen Festabend. Die Zahl der noch folgenden Flugtage war auf 200 gesunken. Beim Abendessen waren auch der Kapitän und sein Stellvertreter anwesend. Wir unterhielten uns sehr herzlich. Als ich die beiden Männer
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