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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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Verbindungstunnels entlang und spüne plötzlich einen dumpfen Schmerz am Knie. Im Observatorium war außer Wellgarth auch Watts. Beide schwiegen.
    Nach kurzer Zeit ertönte aus der leitenden Zentrale die Stimme des führenden Technikers Glennon. Der Kapitän hatte ihm offensichtlich den Befehl für die technische Durchführung der Rettungsaktion übergeben. Wir hörten seine Anweisungen zum Anlassen des Korrektionsmotors am dritten Lastschiff. Weil der Zug dieses Motors gegen die Richtung der Rotation ging, konnte seine Kraft die unerwünschte Bewegung des ganzen Konvois abbremsen. Und so geschah es auch. Nach kurzer Zeit verlangsamte sich die Bewegung der Sterne merklich. Da ertönte die Stimme des Kapitäns. Er sprach mit dem Haupttechniker über den Einsatz des zweiten Motor-Zuggrades. Die Stimme des Kapitäns erschien mir anders als sonst, mit einem Unterton von Unsicherheit, oder besser gesagt, von Mißtrauen. Das konnte ich mir leicht erklären. War er doch der Typ eines Kommandanten, der sich für alles verantwortlich fühlt, auch für Entscheidungen, die er nicht selbst trifft. Wenn er sich also entschlossen hatte, das Kommando dieser ganzen schwierigen Operation dem ersten Techniker zu übergeben, dann bestimmt nicht deshalb, um sich dieser Verantwortung zu entziehen. Glennon gab den Befehl zum Einschalten des zweiten Zuggrades. Die Bewegung der Sterne hörte nach wenigen Sekunden fast auf. Aber gleichzeitig sahen wir durch die breiten Sehschlitze des Observatoriums, wie der hintere Verbindungsarm des dritten Lastschiffes barst und sich vom Rumpf des Mutterschiffes loszulösen begann. Der Befehl zum sofortigen Stillstand des Motors unterbrach zwar augenblicklich diesen gefahrbringenden Zug - doch der Hinterteil des Lastschiffes wendete sich langsam und unaufhaltsam abseits, und zwar durch einen Rest der noch nicht ganz beseitigten Fliehkraft. Am Bug des Lastschiffes, der mit dem vorderen Verbindungsarm am Mutterschiff befestigt war, öffnete sich ein langer Riß.
    Das Gefühl bitterer Enttäuschung bemächtigte sich meiner. So ungefähr sieht ein Film über eine kosmische Katastrophe aus. Das sind Augenblicke, die schon kein menschliches Auge mehr erblickt, das ist eines der unglücklichen Abenteuer der Menschheit. .. Mir schien das Verderben unabwendbar, denn der Verlust eines einzigen Lastschiffes bedeutete das Ende der Expedition.
    In diesen schrecklichen Sekunden erscholl von neuem die Stimme von Kapitän Norton. Er gab die Weisung, den Korrektionsmotor auf schwächsten Zug laufen zu lassen, und zwar im Sinne der Rotation. Wir sahen, wie die Zentrifugalbewegung des Hecks vom dritten Lastschiff aufhörte und sich dann in die entgegengesetzte Bewegung änderte. Das Heck begann sich wieder dem Rumpf des Mutterschiffes zu nähern. Wir bangten, ob der vordere Verbindungsarm aushalten würde. Er verbog sich zwar, hielt aber stand. Ein weiterer Anzug des Korrektionsmotors brachte die Bewegung des Lastschiffes, dessen Heck mit Seilen an das Mutterschiff befestigt worden war, zum Stillstand. Stille. Das sternförmige Massiv des Konvois drehte sich wie ein Schiff, das auf einem einsamen Ozean das Steuer verloren hat. Die folgenden Stunden waren von der intensiven Arbeit der gesamten Besatzung ausgefüllt. Die Mechaniker Williams, Lawrenson und Trott in schweren Raumanzügen schweißten mit Sauerstoffbrennern die abgerissene Pratze des Verbindungsarms. Gray und Briggs flickten den fast fünf Meter langen Riß am Bug des Lastschiffes. Die Druck- und Wärmeisolation war beschädigt. Watts und ich hatten die beiden Mechaniker des Lastschiffes zu betreuen. In dem Augenblick, als durch den großen Riß im Mantel des Schiffes Luft aus der Kabine entwich, sank der Druck in der Kabine innerhalb einer Sekunde, ehe das Unterdruck-Sicherheitsventil den Helmschutz abschloß, auf Null, und dieser unbedeutende Bruchteil der nach allen Seiten ins Unendliche ausgebreiteten Zeit genügte, daß die beiden Männer das Bewußtsein verloren. Sheldon blutete aus beiden Ohren. Radcliff litt an einem Schwindelanfall. Nach jeder noch so geringen Kopfbewegung erbrach er sich.
    Dieser Unfall kostete fast achtundvierzig Stunden schwere Arbeit und Nervenanspannung aller Expeditionsmitglieder. Das war aber nicht das Schlimmste.
    Der Zustand der beiden Mechaniker war nach achtundvierzig Stunden halbwegs zufriedenstellend. Viel schlimmer war, was ich von Jenkins erfuhr: Der Kapitän hatte den Hauptmechaniker Glennon seiner Funktion enthoben. Er
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