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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes
Autoren: Susan Krinard
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Mörder.
    “Sie wollen mir nicht wehtun, Dorian”, sagte sie und berührte das Kreuz an ihrem Hals. “Sie sind ein guter Mann. Ich will Ihnen helfen.”
    Ein Laut der Wut und der Verzweiflung entrang sich seiner Kehle. Er wirbelte herum und schlug seine Hände gegen die Holzkisten. Sie fielen um wie die Holzbausteine eines Kindes. Als er sich umdrehte, war sein Gesicht entspannt wie das eines Mannes kurz vor dem Einschlafen.
    “Gehen Sie”, sagte er heiser, “machen Sie, dass Sie verschwinden.”
    “Ich lasse Sie so hier nicht allein.”
    Er hob langsam den Kopf, doch er hätte genauso gut blind sein können. “Bitte.”
    Wieder sein Stolz. Stolz und Furcht und Angst. Hier stand ein Mann, der gelitten hatte, der die Kontrolle verloren hatte, der sich selbst für seine Schwäche hasste. Gwen hatte das alles schon einmal erlebt. Barry hatte dem Krieg alles geopfert. Er war mit einer so heftigen Kriegsneurose zurückgekehrt, dass eine Hochzeit auf keinen Fall mehr infrage gekommen war. Sogar seine Familie hatte sich nicht mehr um ihn kümmern können. Er hatte noch zwei Jahre in einer Irrenanstalt verbracht, ehe er sich erschossen hatte.
    Männer, die ohne sichtbare Verletzungen aus dem Krieg zurückkamen, hatten manchmal tiefere Wunden als alle anderen. Barry hatte schon beim Anblick des kleinsten Bluttropfens Schreikrämpfe bekommen.
    Sie haben sich in Sicherheit geglaubt, Mr. Black, dachte Gwen.
Weit entfernt von den anderen Menschen, immer am Rande des Lebens schwebend. Aber ist es Ihnen wirklich gelungen zu entkommen?
    “Es ist schon in Ordnung”, sagte sie laut, “ich habe keine Angst.”
    “Das sollten Sie aber.”
    “Sie würden mir nichts zuleide tun, Dorian, da bin ich mir sicher.”
    Er fuhr mit der Hand über sein Gesicht und brachte sein dunkles Haar in Unordnung. “Naiv”, sagte er. “Naiv, leichtsinnig …”
    “Nicht so naiv, wie Sie denken. Sie brauchen einen Arzt, Dorian. Jemanden, mit dem Sie reden können.”
    “Kein Arzt kann mir helfen.”
    Wie konnte sie glauben, dass sie ihn überzeugen könne, wenn auch die besten Ärzte in New York Barry nicht geholfen hatten?
    “In Ordnung”, sagte sie, “ich kann Sie nicht zwingen.”
Aber ich kann Sie verdammt noch mal weich klopfen, Dorian Black. Weil ich es Ihnen schulde. Ich bezahle meine Schulden.
    Und wenn Sie mir dann noch helfen könnten, die Mörder zu finden …
    Sie schüttelte den Gedanken als unter ihrer Würde ab und warf ihren Mantel über ihre Schultern. “Ich werde jetzt gehen”, sagte sie, “aber wenn ich etwas für Sie tun kann, egal was …” Plötzlich erinnerte sie sich daran, dass zusammen mit ihrer Handtasche auch ihre Papiere fort waren. Ohne Zweifel hatten die jungen Hooligans sie gestohlen. Sie hatte nicht einmal eine Münze für ein Telefongespräch.
    Na ja, wenigstens lebte sie noch und war auch wieder in der Lage zu gehen, jetzt, wo die Übelkeit vorüber war. Sie konnte es zu Fuß zur nächsten Polizeiwache schaffen und von dort aus telefonieren.
    Sie sah Dorian an, und plötzlich überkam sie das übermächtige Bedürfnis, ihm die abstehenden Haare aus der Stirn zu streichen. Eine solche Vertrautheit wäre ihm gewiss alles andere als recht. Vielleicht bedauerte er es sogar schon, sie aus dem Fluss gezogen zu haben.
    “Hören Sie”, sagte sie, “ich würde gern irgendwann wiederkommen. Vielleicht kann ich nie ganz zurückzahlen, was Sie für mich getan haben, aber –”
    “Ich will Ihre Almosen nicht.”
    “Könnten Sie nicht wenigstens einen Haarschnitt annehmen? Ich bin ein Ass mit der Schere.”
    Seine Augen waren immer noch verhangen und trüb von Erschöpfung und dieser merkwürdigen Lähmung, die sie so oft bei Barry gesehen hatte, ehe er gestorben war. Er erwiderte ihren Blick nicht.
    “Kommen Sie nicht wieder”, sagte er.
    Gwen blähte ihre Wangen auf. Manchmal bringt es nichts, zu widersprechen, hatte ihr Dad ihr mehr als einmal gesagt.
Lerne loszulassen, Gwen. Übe dich in Geduld. Manchmal ist Geduld das, was ein Reporter am meisten braucht.
    Nur war Geduld eine Tugend, die sie sich immer noch nicht vollkommen zu eigen gemacht hatte. Aber sie war bereit, der Sache noch einmal eine Chance zu geben. Für Dorian.
    “Okay”, sagte sie, “wie komme ich hier raus?”
    “Ich zeige es Ihnen.”
    Die Stimme gehörte dem anderen Mann, den sie sprechen gehört hatte, nachdem sie aufgewacht war. Er trat aus dem Schatten. Ein alter Herr, dessen Kleidung ebenso abgetragen war wie Dorians. Sein
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