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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes
Autoren: Susan Krinard
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Fluss gezogen hatte, hätte er sie vielleicht einfach liegen lassen. Alte Gewohnheiten vergaß man nur schwer, und er brauchte menschliche Gesellschaft ebenso wenig wie die seiner eigenen Art.
    Aber Gwen war nicht zusammengebrochen. Sie hatte tapfer akzeptiert, was man ihr angetan hatte, und wenn ihr Körper nicht sehr menschliche Schwäche gezeigt hätte, wäre sie einfach weitergegangen, als sei nichts geschehen.
    Und darin lag der entscheidende Unterschied. Ihr Mut hatte Dorians Gefühle geweckt, wie nichts es getan hatte, seitdem er mit der Waffe in der Hand etwas Bösem ein Ende bereitet hatte, das nur wenige Menschen begreifen konnten. Ihre Weigerung, sich der Angst zu ergeben, hatte ihn an die einzige andere Frau erinnert, der es gelungen war, sein Herz zu berühren.
    Dorian kehrte in seine Ecke zurück, stellte die Holzkisten vorsichtig wieder aufeinander und lehnte sich gegen die Wand. Natürlich war ihm sein Fehler klar geworden, sobald sie angefangen hatte, Fragen zu stellen und sich so zu verhalten, als hätte seine unbedachte Tat irgendeine Verbindung zwischen ihnen geschaffen. Er hatte versucht, sie loszuwerden, noch bevor seine vage Bewunderung zu einer viel perfideren Reaktion geworden war: er begann sich ihrer pikanten Schönheit bewusst zu werden, bemerkte den Duft ihrer Haut und die Verlockung ihrer Weiblichkeit.
    Wenn diese Gefühle nur der natürliche Durst nach ihrem Blut gewesen wären, hätte er ihn schnell stillen und Miss Murphy fortschicken können, ohne dass sie etwas bemerkt hätte. So hatte er es schon mit Tausenden anderer Menschen getan. Aber sein Begehren war ein gefährlicher Wahn, der noch tödlicher wurde, als er merkte, wie leicht er ihr wehtun konnte und wie schmal die Grenze zwischen körperlicher Lust und Gewalt war.
    Er wollte ihr nicht wehtun. Er wollte nicht die Verantwortung für das tragen, was sie fühlen mochte, wenn sie nicht mehr nur ihren edlen Willen, ihm zu helfen, vor Augen hatte und merkte, dass er sie begehrte – in der menschlichsten Bedeutung dieses Wortes.
    Ihre Beziehung würde nie so weit gehen. Es würde keine Beziehung geben, keine Gefühle, keine Vereinigung egal welcher Art. Falls sie überhaupt zurückkam …
    “Würd’ gern wissen, was du denkst.”
    Walter kam ins Zimmer geschlendert und hockte sich neben Dorian, eine halbleere Whiskeyflasche in der Hand. “Sag es mir nicht”, fuhr er fort, “ich kann es schon erraten. Sie ist ’ne ganz schöne Pracht, was?”
    Dorian seufzte. Es hatte keinen Sinn, zu versuchen, vernünftig mit Walter zu reden. So unbeschwert er daherkam, er war doch genauso irrational wie jeder andere Mensch auch. Im Grunde war er schlimmer als die meisten. Er sah alles durch eine rosa Brille aus Optimismus und Wohlwollen.
    “Sie ist eine ungewöhnliche Frau”, gab Dorian zu. Mit dem unangenehmen Gespräch musste er sich wohl abfinden. “Es wäre schön, wenn sie nicht ohne eine passende Begleitung hierher zurückkehrte.”
    “Ha”, schnaubte Walter, “du kennst die Frauen nicht, Dory. Auch wenn ich nie verstehen werde, wie einer wie du so wenig Ahnung vom schönen Geschlecht haben kann.” Er kratzte seine Schulter. “Du gewöhnst dich lieber gleich dran, dass sie ein Auge auf dich geworfen hat.”
    “Ich glaube nicht, dass ihr Interesse von Dauer sein wird.”
    “Das Leben gerettet zu bekommen macht einen meistens ziemlich dankbar.”
    “Ich habe ihr bereits verdeutlicht, dass ich ihre Dankbarkeit nicht will.”
    “Du kannst jemandem nicht einfach vorschreiben, was er zu fühlen hat. Hast du dir schon mal überlegt, dass sie dir vielleicht auch guttun könnte?”
    “Ich fände es bedauerlich, ihr Leben gerettet zu haben, nur um es danach zu ruinieren.”
    “Dein Problem ist, dass du nicht an dich selbst glaubst. Nur weil du ein Problem hast, heißt das nicht, dass man es nicht lösen kann. Vielleicht brauchst du ja nur ein wenig Ermunterung.”
    “Die bekomme ich haufenweise von dir.”
    “Das reicht nicht.
Sie
ist die Sorte, auf die du hören würdest. Sie ist mutig und klug. Ich bin nur ein dummer alter Mann.”
    Und so harmlos wie ein Skorpion, dachte Dorian. “Vielleicht bin ich nicht da, wenn sie zurückkommt.”
    Walter stand auf. “Oh, du wirst da sein. Du kannst ja nirgendwo anders hin.” Er nahm einen Schluck aus der Flasche, bot sie Dorian an, wie er es immer tat, und zuckte mit den Schultern, als Dorian sie ablehnte. Sein Gang war ein wenig unsicher, als er sich in seine eigene dunkle Ecke
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