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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes
Autoren: Susan Krinard
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ihn begreifen konnte. Sie sank tiefer. Ihre Muskeln gehorchten nicht länger den schwachen Befehlen ihres Gehirns. Ein Fisch mit Glupschaugen driftete neben sie und sah sie erstaunt an. Dann verschwand er in den tintenschwarzen Tiefen. Ihre Lungen begannen zu brennen.
    Atme. Atme. Atme …
    Ein Strahl aus Luftblasen löste sich von ihren Lippen. Plötzlich kam die Erinnerung zurück. Sie sah hinauf auf den fernen, blassen Schimmer des Mondlichts, das sich auf der Oberfläche des Flusses spiegelte. Es schien Millionen Meilen entfernt.
    Schwimm. Schwimm doch, verdammt.
    Aber sie hatte keine Luft mehr. Erlösung schien nicht mehr erreichbar. Sie streckte die Arme aus und klammerte sich an eine Substanz, die ihr durch die Finger glitt. Ein dunkler Vorhang legte sich über ihre Augen. Sie strengte sich ein letztes Mal an und versuchte, ihren schmerzenden Körper ein kleines Stück näher an den Himmel zu schieben.
    Etwas griff nach ihrer Hand und packte sie wie das Maul eines Killerhais. Ihr Schrei leerte ihre Lungen völlig. Das Letzte, was sie sah, war ein Gesicht … ein Gesicht, das einem Engel gehören mochte … oder dem attraktivsten Teufel, den die Hölle je hervorgebracht hatte.
    “Atmen Sie!”
    Die Stimme war rau und doch schön, wie eine Musik aus einer anderen Welt. Sie kam von sehr weit weg, einem Ort außerhalb von Raum und Zeit, und doch zog sie sie aus der verführerischen Dunkelheit, so sanft wie ein Mafiakiller, der sich in einer Gasse über irgendeinen armen Tropf hermacht.
    Grobe Hände drehten sie um und bearbeiteten ihren Rücken. Flüssigkeit stieg in ihrem Rachen hoch und ergoss sich aus ihrem Mund. Sie hustete kräftig, und blitzende Funken schwirrten durch ihr Gehirn.
    “Atmen!”
    Sie keuchte. Gesegneter Sauerstoff strömte in ihre Brust. Die Hände, die sie geschüttelt und bearbeitet hatten, wurden sanfter und hoben sie gegen eine warme, feste Oberfläche. Sie hörte einen Herzschlag, langsam und gleichmäßig, spürte die Umrisse von Muskeln unter einem früher einmal eleganten Hemd aus schwarzem Tuch, roch einen leicht stechenden, aber nicht unangenehmen Duft, als hätte die Person, die sie festhielt, seit Wochen ihre Kleidung nicht gewechselt.
    Immer noch benommen und zitternd im kalten Morgenwind, der gegen ihre nasse Haut wehte, ließ sie sich einfach halten. Es war absurd, sich in den Armen eines vollkommen Fremden so sicher zu fühlen, auch wenn der ihr gerade das Leben gerettet hatte. Verrückt, dass es sich so anfühlte, als könne sie für immer dort bleiben.
    Sie wand sich, ihre Muskeln immer noch nicht ganz unter Kontrolle, in den Armen ihres Retters. Er ließ sie los und half ihr, nicht hinzufallen, als sie sich auf dem betagten Holz der Mole hinzusetzen versuchte.
    Zum ersten Mal konnte sie sein Gesicht erkennen. Es war der teuflische Engel, den sie im Fluss gesehen hatte. Dort hatten das Brackwasser und ihre eigene verschwommene Sicht seine Züge verzerrt. Jetzt, da sie ihn deutlicher erkennen konnte, wusste sie immer noch nicht, ob er nun in den Himmel oder an den anderen Ort gehörte.
    Seine Züge waren die eines jungen Mannes in der Blüte seiner Jahre. Er war ansehnlich im wahrsten Sinne des Wortes, und das helle Mondlicht betonte noch die vollkommen symmetrischen Flächen und Winkel seines Gesichts. Seine Haut war glatt und frei von Bartstoppeln, auch wenn alles andere an seinem Aussehen darauf schließen ließ, dass er tagelang keinen Rasierer in die Hand bekommen hatte. Seine Wangenknochen waren hoch, sein Kinn fest und ein wenig eckig, sein Haar war dunkel und musste dringend geschnitten werden, und seine Brauen lagen gerade über tief umschatteten Augen.
    Die Augen waren es, die ihre Aufmerksamkeit am stärksten auf sich zogen. Gwen konnte keine Farbe erkennen, aber das war auch nicht wichtig. Sie gehörten einfach nicht ins Gesicht eines guten Samariters, der wahrscheinlich sein Leben riskiert hatte, um eine ihm vollkommen Fremde zu retten. Sie gehörten nicht zu einem Mann Mitte zwanzig, der noch wenigstens vierzig gute Jahre vor sich hatte. Sie waren so gefährlich wie ein Sturm, kurz bevor er losbricht, so grauenvoll wie der blutbefleckte Stahl eines Maschinengewehrs. Wenn je ein Lächeln sie berührt hatte, dann lag das in einer so weit entfernten Vergangenheit, dass sie es sich kaum vorstellen konnte.
    Die meisten Frauen – ja, sogar die meisten Männer – hätten sich unter diesem unbarmherzigen Blick gekrümmt. Nicht aber Gwen Murphy. Sie betrachtete ihn
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