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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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lange angebrochen, wenn die Männer wieder zurück in den Königspalast kamen, um sich zu baden und todmüde auf ihr Lager zu fallen und zu schlafen. Manchmal kam es vor, dass der Pharao die Nacht gleich im heiligen Bezirk der Pyramidenstadt verbrachte, weil es schon zu spät war, um wieder nach Memphis zurückzukehren.
    Die Memphiter, die geglaubt hatten, mit dem Erscheinen des Herrschers würde nun eine Zeit der Festlichkeiten beginnen, sahen sich enttäuscht. Der Pharao hatte noch nicht einen einzigen königlichen Empfang gegeben.
    Prinz Sethi hingegen nutzte jeden Abend, um zu feiern und sich mit den hübschesten Frauen der Stadt zu amüsieren. Tagsüber fuhr er zum Jagen hinaus in die Wüste oder er bestieg ein Boot, um in den dichten Papyruswäldern des Deltas Enten und andere Wasservögel mit dem Wurfholz zu erlegen.
    Amunhoteps Dienerschaft ging derweil ebenfalls ihren privaten Vergnügungen nach, denn auch sie wurden nicht von ihrem Gebieter in Anspruch genommen. Ki, Amunhoteps persönlicher Schreiber, nutzte die freie Zeit und besuchte Verwandte, die ganz in der Nähe von Memphis wohnten, während Maiherperi und seine Soldaten die Stadt unsicher machten und sich mit den jungen, anmutigen Bierhausmädchen vergnügten, wenn sie nicht gerade ihren Wachdienst zu versehen hatten. Nur Satra langweilte sich fast zu Tode.
    Tagsüber durchstreifte sie den für sie zugänglichen Teil des Palastbezirks und sah sich alles ganz genau an, aber schon bald gab es nichts Neues mehr für sie zu entdecken. Sie hatte Amunhotep gefragt, ob sie ihn nicht begleiten dürfe, doch er hatte erwidert, dass sie es sicher nicht als schön empfinden würde, von morgens bis spät in die Nacht in der Wüste zu sitzen und dem Sand zuzusehen, wie dieser durch die Luft wirbelte. Enttäuscht hatte sie geseufzt und von weiteren Fragen abgesehen.
    Einmal hatte sie Maiherperi gebeten, ihr die Stadt zu zeigen, doch der Nubier hatte sie nur abschätzend gemustert und gemeint, er wäre Soldat, kein Kindermädchen.
    Ab und an traf Satra auf ihren Streifzügen Prinz Hori, der sich stets freute, sie zu sehen. Dann unterhielten sie sich einen kurzen Moment, bis der Prinz wieder zurück zu seinem Erzieher oder zu seinen Lehrern in die Schule musste.
    Warum frage ich nicht einfach Amunhotep, ob er mir erlaubt, dass ich mir die Stadt allein ansehe?, fragte sich Satra ein ums andere Mal. Dann gestand sie sich jedoch ehrlich ein, ein wenig Angst davor zu haben. Da draußen, das war eine völlig fremde Welt für sie. Was wusste sie schon vom Leben außerhalb der hohen Tempel- und Palastmauern? – Wenn sie ehrlich war, nichts.
    Sie war nun seit fast drei Jahren in Kemi, hatte aber noch nichts vom hiesigen Leben mitbekommen. Stets war sie wie eine Gefangene eingesperrt gewesen. Zuerst in den Privatgemächern des Kaufmanns Senbi, dann im thebanischen Gefängnis. Im Anschluss hatte man sie nach Abydos gebracht, und zwischenzeitlich hatte sich ihr Leben hinter den hohen Tempelmauern von Opet-sut abgespielt. Einzig in letzter Zeit war sie ab und an nach draußen gekommen. Dann aber auch nur auf die Baustellen des Osiris-Tempels, und das in ständiger Begleitung Amunhoteps und seiner Soldaten.
    »Was bin ich nur so ängstlich?«, murmelte sie vor sich hin, als sie wieder einmal mit gekreuzten Beinen in Amunhoteps Schlafgemach saß und sehnsüchtig darauf wartete, dass es Nacht werden würde und der Oberpriester abgearbeitet und müde durch die Tür träte. Amunhotep war dann zwar meist nicht mehr sehr gesprächig, aber allein seine Gegenwart ließ sie ihre Einsamkeit und die Langeweile vergessen, unter der sie litt. »Das ist eigentlich überhaupt nicht meine Art«, setze sie ihren Monolog fort und blickte wehmütig hoch zu den Fenstern.
    Es begann dunkel zu werden.
    Sie erhob sich und ging zu dem kleinen Schrein, der eine Statue des Osiris und eine von Amunhoteps Schutzgott Amun-Re beherbergte, und fiel vor der verschlossenen Tür des Naos auf die Knie.
    Sie hatte ihre Gebete wieder aufgenommen, nachdem sie im Labyrinth des Re und in der Halle des Thot gewesen war. Vor Jahren hatte sie gelesen, dass diese geheimen Anlagen nur das Produkt einiger verschrobener Gehirne seien, aber nie existiert hätten. Was sie nun aber mit eigenen Augen gesehen hatte, hatte sich ihr tief ins Gedächtnis gegraben.
    Noch immer dachte sie ehrfurchtsvoll an die beiden riesigen Regalreihen zurück, in denen unzählige von Schriftstücken verstaut waren und nur darauf warteten, gelesen
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