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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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Existenz und ihre Kultur zu verdanken hatten. Beim Verlassen dieser heiligen Stätte jedoch sollte ihm unmissverständlich ins Gedächtnis gerufen werden, was einst war, bevor die Götter auf die Erde kamen, und was geschehen würde, wenn sie sich von diesem Land abwenden würden.
    Aufgeregt sah sie zu Ramses, der am Ausgang stehen geblieben war und zu ihr herüberblickte.
    »Jetzt verstehe ich es, Majestät. Es soll uns Sterblichen unsere eigene Unzulänglichkeit anhand dieser makellosen Göttergestalten vor Augen führen, unsere Unwissenheit auf Grund dieses unschätzbaren Wissens, welches in den göttlichen Schriftrollen des Großen Gottes Thot aufgezeichnet ist. Und es soll uns beim Verlassen dieses Saals daran erinnern, dass wir den Göttern die ihnen zustehende Verehrung und unseren Gehorsam entgegenbringen müssen, denn so wie sie uns einst schufen, so können sie uns auch wieder vernichten.«
    Nervös wartete sie auf eine Reaktion des Pharaos, aber dieser drehte sich nur wortlos um und verließ den Saal. Ramose und Nefertem folgten ihm, während Amunhotep sie nur nachdenklich musterte.
    Verlegen senkte Satra den Kopf.
    Ramose wandte sich sofort beim Verlassen der Halle an Ramses, denn er wollte einer solchen Entweihung eines heiligen Orts nicht tatenlos zugesehen haben.
    »Majestät«, hob er an, als sie in den nur durch ihre Öllampen schwach beleuchteten Gang traten, »ich muss entschieden darauf verweisen, dass es ein schwerer Fehler war, eine Unreine diese heilige Stätte betreten zu lassen. Selbst wenn sie über ein Wissen verfügt, dass ich mir nicht erklären kann, sie ist keine Priesterin. Die Halle des Thot wurde durch diese Leibeigene entweiht, Majestät. Du kennst die einzig mögliche Strafe für eine solch frevelhafte Tat.«
    Abrupt blieb Ramses stehen und wandte sich Ramose zu. »Wer bist du, Priester, dass du es wagst, eine Entscheidung Meiner Majestät in Zweifel zu ziehen?« Ramose wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, aber Ramses schnitt ihm das Wort mit einer herrischen Geste ab. »Schweig, bevor du meinen königlichen Zorn zu spüren bekommst.«
    In der Zwischenzeit waren auch Amunhotep und Satra in den Gang getreten und beobachteten verwirrt die Szene, die sich ihnen bot.
    »Komm her, Satra!«, befahl Ramses die Frau zu sich.
    Als Satra zögernd auf ihn zutrat, ergriff er mit der rechten Hand ihren linken Oberarm, drehte ihn zu den drei Männern und beleuchtete ihn mit der Lampe, die er der Dienerin zuvor aus der Hand genommen hatte.
    »Könnt ihr dieses Zeichen sehen? Es wurde ihr vom Großen Gott Osiris gegeben und zeigt, dass sie von ihm erwählt wurde. Es ist ein heiliges Mal und setzt seinen Träger mit einem Priester zumindest in dem Punkt gleich, dass beide auserkoren wurden, den Göttern zu dienen. Eigentlich hatte ich angenommen, dass euch das klar sei.« Sein Blick durchbohrte Ramose und Nefertem. »Ich hoffe, das beantwortet dir deine Frage zwecks einer Bestrafung?«, wandte er sich direkt an den Hohepriester des Re.
    Der Angesprochene senkte zwar seinen Kopf, schien aber noch immer nicht von Ramses’ Sichtweise überzeugt zu sein. Trotzdem wagte er es nicht, dem König offen zu widersprechen.
    Ramses war sein Starrsinn nicht entgangen, und so fügte er hinzu: »Ich weiß, was du jetzt denkst, Ramose, aber ich warne dich und alle anderen. Sollte dieser Frau irgendetwas zustoßen, werde ich so lange Ermittlungen anstellen lassen, bis ich den Schuldigen gefunden habe, und seine Strafe wird hart ausfallen. Das gelobe ich. Ich würde euch daher raten, zu den Göttern zu beten und Sorge dafür zu tragen, dass sich diese Frau stets bester Gesundheit erfreut.«
    Er ließ Satras Arm wieder los, drückte ihr die Öllampe in die Hand und schritt auf die nächste Tür des Labyrinths zu, die nach draußen führte.

VIER
      
     
     
     
     
     
     
    Die folgenden zwei Wochen verbrachten der Pharao und der Vorsteher der Osiris-Priesterschaft in der Halle des Thot, um sich in die geheimsten Schriften des Gottes zu vertiefen, immer auf der Suche nach magischen Zaubersprüchen, die Ramses’ Ewiges Haus vor der zerstörerischen Hand von Räubern schützen würden.
    Morgens, zum ersten Ritual des Tages, fand sich Ramses im Tempel des Großen Gottes Ptah ein, um eigenhändig den Gott zu erwecken, ihn zu salben und zu kleiden und ihn zu bitten, den Tag in seinem Haus zu verbringen. Anschließend begab er sich zusammen mit Amunhotep und den Getreuen nach Giseh. Meist war die Nacht schon
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