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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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ABYDOS, und um den Hals hatte sie an einem Stück Schnur eine kleine tönerne Osiris-Figur, die ihr Amunhotep nach seiner Genesung geschenkt hatte.
    Verächtlich hatte Turi das Gesicht verzogen, als sie sie ihm freudestrahlend gezeigt hatte. Er hatte gemeint, dass sie für ihre aufopferungsvolle Pflege mehr als nur ein einfaches Amulett aus Ton verdient hätte.
    »Sei mir nicht böse«, hatte er gesagt, »aber ich hätte nie geglaubt, dass der Oberpriester so ein Geizkragen ist.«
    »Aber, Turi, was fällt dir ein, so über meinen und auch deinen Herrn zu reden?«, hatte sie ihn entrüstet angefahren. Sie war froh gewesen, dass Amunhotep sich überhaupt bei ihr bedankt hatte.
    »Na höre mal! Du hast ihn monatelang gepflegt und bist nicht von seiner Seite gewichen. Da hätte er dir wenigstens ein etwas wertvolleres Amulett schenken können – eines aus Fayence oder Glasfluss – und nicht so ein wertloses Ding aus Ton.«
    Er hatte seine Hand nach ihrem Amulett ausgestreckt und hatte es greifen wollen, doch sie war zurückgewichen und hatte ihm einen empörten Blick geschenkt.
    »Was ist?«, hatte er beleidigt hinzugesetzt. »Sieh dir die Hausdiener der anderen Priester an. Sie alle tragen besseren Schmuck. Auch ich habe von Paheri kunstvoll verzierte kupferne Armreife und einen kleinen Halskragen erhalten, weil ich ihm treu und ergeben diene. Schau dir erst einmal die Dienerschaft des Pharaos an. Da kannst du nur am Armreif unterscheiden, wer ein verurteilter Leibeigener ist und wer nicht. Jeder Adlige oder wohlhabende Bürger schenkt seinen Hausdienern kupfernen, manchmal sogar vergoldeten Schmuck und nicht so eine einfache Tonfigur, die sich schon jeder Bauer leisten kann.« Verächtlich hatte Turi die Nase gerümpft.
    »Na und!«, hatte sie gekränkt erwidert und mit den Schultern gezuckt. »Edler Schmuck allein zeichnet noch keinen König aus. Es soll Leute geben, die wurden als Sohn eines Zimmermanns geboren, hatten einen hölzernen Trinkbecher und wurden trotzdem ein König und vom Volk als Gottes Sohn verehrt.«
    Wütend hatte sie sich umgedreht und war zurück zum Haus des Oberpriesters gerannt.
    Damals war sie ziemlich böse auf Turi gewesen. Da er aber ihr Freund war, verzieh sie ihm schnell, denn sie hatte nicht sehr viele Wohlgesinnte im Tempel des Osiris.
    Piay, der Badediener, und der kleine Moses gehörten zu ihnen. Selbst mit Maiherperi, dem Leibwächter von Amunhotep, hatte sie sich angefreundet. Er beäugte sie nicht mehr feindselig, sondern schien ihr inzwischen sogar zu vertrauen, nachdem sie alles getan hatte, um den Oberpriester wieder gesund zu pflegen. Netnebu, der Oberste Vorlesepriester, war ebenfalls stets freundlich zu ihr. Selbst Ipuwer ließ sie in Ruhe und brachte Amunhotep den nötigen Respekt entgegen, seitdem ihm Ramses mit einer Versetzung in die Oase Siwa gedroht hatte.
    Piay war inzwischen dreizehn Jahre alt und trug seine Jugendlocke nicht mehr. In den zurückliegenden Monaten war er noch größer und dünner geworden, sodass er ihr fast bis zum Kinn reichte. Zusammen mit dem achtjährigen Moses hatte er begonnen, von ihr die heiligen Zeichen und die Zahlen zu erlernen, die sie den beiden Jungen in ihrer knapp bemessenen Freizeit beizubringen versuchte.
    »Der Pharao wird schon seine Gründe haben«, riss Amunhotep sie aus ihren Gedanken. »Ich habe Hekaib gesagt, dass er für dich ein Kleid besorgen soll, das du heute Abend anziehen kannst.«
    Wenig begeistert verzog Satra den Mund. »Darf ich nicht einfach so erscheinen, wie ich sonst auch herumlaufe?«, wagte sie einzuwenden. »Natürlich frisch gebadet und gekleidet«, fügte sie rasch hinzu, und Amunhotep schüttelte verständnislos mit dem Kopf.
    »Meinetwegen, doch jetzt spute dich.«
     
    * * *
     
    Als Amunhotep, von Satra gefolgt, den großen Säulensaal des Palastes betrat, war Re schon fast eine Stunde zuvor von Nut verschluckt worden. Sofort kam ein königlicher Herold auf ihn zugeeilt, verneigte sich vor ihm und rief mit lauter Stimme seine Titel in den Saal.
    Unauffällig blieb Satra im Hintergrund und betrachtete mit staunenden Augen die festliche Halle, deren Pracht sie regelrecht blendete.
    Unglaublich!, durchfuhr es sie.
    Viel Zeit blieb ihr jedoch nicht, sich umzusehen.
    Nachdem sich ein fast nacktes nubisches Mädchen unter größtmöglichen Verrenkungen bemüht hatte, ihrem hochgewachsenen Gebieter einen geflochtenen Kranz frischer Blumen um den Hals zu legen, wurde er von einem Diener zu seinem Platz
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