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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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waren. Dabei wäre ohne sie die gesamte italienische Halbinsel dem völligen finanziellen Ruin verfallen; die wirtschaftlich stärkeren Gebiete wären von den beiden ehemaligen Gegnern mit in den Abgrund gezogen worden!
    Das Regionalbüro war diesem Arbeitsanfall natürlich nicht gewachsen. Deshalb waren ja auch zusätzliche Anspruchsregler wie ich eingeflogen worden.
    Überrascht blickte ich auf. Susan stand mit einem Pappbecher voll Wasser und einem Aspirin vor mir. »Sie sehen aus, als ob Sie das gebrauchen könnten«, flüsterte sie, zwinkerte mir zu und war wieder weg.
    Dankbar schluckte ich die Tablette, aber mein Kater war eigentlich schon fast verschwunden.
    In diesen trockenen Akten fand ich all die Romantik und Aufregung, deretwegen ich in den Außendienst der Gesellschaft eingetreten war. Hier vor mir lagen menschliche Leben, spielten sich Dramen, Tragödien und zuweilen auch kleine menschliche Komödien ab. Der größte Teil der Bevölkerung Neapels lebte nämlich von der Gesellschaft, und was auch immer im Leben der Neapolitaner eine Rolle spielte, in den Akten der Gesellschaft war es verzeichnet.
    Es war eine saubere, eine hingebungsvolle Aufgabe, für die Gesellschaft zu arbeiten. Seit den Mönchen des Mittelalters, die ungefähr in dem gleichen positiven Bewußtsein – nämlich daß ihre Arbeit im Dienst des mächtigen kirchlichen Imperiums wahrhaftig und rechtschaffen war – gelebt haben mußten, hatte es das sicherlich nicht mehr gegeben.
    Entschlossen stürzte ich mich auf den Aktenberg vor mir; zu wissen, daß die Gesellschaft mit jedem erledigten Vorgang einem Menschen half, bereitete mir eine tiefempfundene Freude.
    Die geschichtliche Entwicklung war klar und für jedermann offensichtlich: Einstmals hatten Not und Leid die Welt beherrscht – und die Gesellschaft hatte sie durch ihr ausgleichendes Eingreifen fast vollständig beseitigt. Mit Feuer und Krankheit fing es an. Als die ersten primitiven Versicherungsgesellschaften – in der Gründerzeit gab es mehr als eine – anfingen, Schutz gegen das Risiko eines Brandes anzubieten, bemerkten sie bald, daß es klüger war, Feuer und Brände von vornherein möglichst zu verhindern. Es kam zu den Propagandakampagnen mit ihren wehmütig blickenden Bären, die die Raucher baten, ihre brennenden Zigaretten nicht in den trockenen Wald zu werfen … technische Büros wie das Underwriter-Laboratorium testeten elektrische Geräte, entwickelten raffinierte Apparaturen für den Hausgebrauch … die zahlreichen Feuerwehren, die bald nach den städtischen Brandschutzämtern entstanden … die endlosen Informationsveranstaltungen in den Schulen … Und die Brände nahmen ab.
    Dann kam die Lebensversicherung. Jedesmal, wenn bei einem Todesfall die Versicherungssumme ausgezahlt wurde, veränderten sich die Zahlen auf der statistischen Anzeigetafel. Tuberkulose ist eine Haupttodesursache? Richtet mobile Röntgenstationen ein, warnt die Leute vor der möglichen Bedeutung chronischen Hustens. War es Herzschlag? Erklärt die Gefahren von Übergewicht und macht die Idiotie von übertriebenem Training über vierzig deutlich. Die Leute lebten länger, und die Gesellschaft konnte die Prämien einige Quartale länger einziehen.
    Die Krankenversicherung lief nach dem gleichen Schema ab. Begonnen hatte es mit dem Zahlen fälliger Rechnungen während der Krankheit, und es endete mit dem Angebot umfassender Gesundheitsvorsorge und medizinischer Behandlung für alle. Sorgfaltige und umfassende Forschungsprogramme reduzierten die Gefahr einer Erkrankung auf ein Minimum. Nur in einigen wenigen Fällen wie dem von Marianna …
    Ich riß mich von meinen Grübeleien los.
    Wie auch immer, es waren weder die Feuer- noch die Lebensversicherungen, die mich jetzt zu interessieren hatten, sondern es ging um den Anti-Kriegs-Komplex der Blauer-Riegel-Versicherungen, die die Gesellschaft anbot.
    Es war nicht schwer zu erkennen, wie es dazu gekommen war: Nachdem sich die Probleme von Feuer, Unfall und Krankheit unter der starken, schützenden Hand der Gesellschaft gebessert hatten, war nur noch eine Hauptgefahr übriggeblieben: Krieg.
    Und so hatte die Gesellschaft zwangsläufig und völlig folgerichtig entschieden, den Krieg auszutilgen …
    Ich blickte von meiner Arbeit auf. Es war wieder Susan, diesmal mit einem Becher Kaffee.
    »Sie sind ein Engel«, sagte ich. Sie stellte den Kaffee hin, zwinkerte und wollte wieder gehen. Ich sah mich schnell um und vergewisserte mich, daß Gogarty
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