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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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großes Gewicht gelegt.«
    »Gibt es auch einen Kurs über Loyalität zur Gesellschaft?« fragte sie ziemlich eigenartig.
    »Ja, natürlich, das könnte man schon sagen. Es gibt Zeremonien, wissen Sie, und es ist eine Frage der Kadettenehre, die Belange der Gesellschaft persönlichen Angelegenheiten vorzuziehen.«
    »Leben wirklich alle Anspruchsregler nach diesem Kodex?« fragte sie.
    Einen Augenblick lang war ich unfähig, ihr zu antworten. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich drehte mich scharf zu ihr um, aber ihr Gesicht zeigte nur höfliche, milde Neugierde. »Worauf wollen sie hinaus, Miss dell’Angela?« brachte ich schwerfällig heraus.
    »Ach nichts«, antwortete sie, und ihr Gesicht war so engelhaft wie ihr Name.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen oder was Sie über mich gehört haben, Miss dell’Angela, aber ich kann folgendes sagen, falls es Sie interessiert: Als meine Frau starb, ging ich ziemlich aus dem Leim, das gebe ich zu. Ich habe allerhand gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen, und einiges davon ging gegen die Gesellschaft. Ich versuche das gar nicht zu leugnen, aber ich war damals völlig aus dem Gleichgewicht, verstehen Sie? Das ist jetzt nicht mehr der Fall.« Ich holte tief Atem. »Für mich ist die Gesellschaft der Erretter der Menschheit und der Menschlichkeit schlechthin. Ich möchte nicht als Fanatiker erscheinen, aber meine Loyalität gegenüber der Gesellschaft geht so weit, daß ich sie über meine persönlichen Belange und zwar so weit, daß ich ausnahmslos jede Arbeit übernehme, die die Gesellschaft mir überträgt. Und, falls nötig, auch so weit, daß ich für sie zu sterben bereit bin. Ist das klar?«
    Nun, das bremste natürlich unsere Konversation. Es war eigentlich nicht meine Absicht gewesen, mich so zu erregen, aber feststellen zu müssen, daß es irgendwelchen Klatsch gegeben hatte, schmerzte ganz einfach. Rena dell’Angela sagte bloß: »Völlig klar.«
    Dann fuhren wir eine Zeitlang schweigend dahin. Ich war wohl etwas unsanft mit ihr umgegangen; sie starrte wieder aus dem Fenster. Und ich hatte in diesem Moment auch keine besondere Lust zum Reden. Vielleicht war ich zu empfindlich, aber in meinen Gedanken existierte nicht der kleinste Zweifel, daß die Gesellschaft die große Chance für die ganze Welt war, und es gefiel mir gar nicht, als Verräter gebrandmarkt zu werden, nur für das, was ich nach Mariannas Tod gesagte hatte. Gewissermaßen zahlte ich jetzt die Strafe dafür; man hatte mir sehr deutlich klargemacht, daß ich mich jetzt zu bewähren hätte. Das reichte mir.
    Wie bereits erwähnt, lebte sie ziemlich weit von der Gran Reale entfernt. Ich hatte eine Menge Zeit für meinen Ausbruch, zum Grübeln und um darüber hinwegzukommen.
    Aber zu vielem leeren Gerede kam es auf unserer kleinen Reise nicht. Als ich mich langsam wieder beruhigt hatte, überkamen mich beunruhigende Gedanken. Es wurde mir plötzlich bewußt, daß ich ein Mann war und sie ein Frau und daß wir zusammen in einem Taxi fuhren.
    Ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll. Ich war mir nicht klar darüber, ob ich sie nur von einem Essen nach Haus brachte oder von einer Verabredung. Es hatte sich nichts geändert – bis auf die Art und Weise, wie ich es sah. Ich fühlte mich plötzlich, als ob ich wieder vierzehn Jahre alt sei. Es war schon ziemlich lange her, seit ich zum letzten Mal die Aufgabe gehabt hatte, ein hübsches Mädchen – und nun wurde mir klar, daß sie ein wirklich schönes Mädchen war – am Ende eines Abends nach Hause zu begleiten. Und nun sah ich mich einer Frage gegenüber, von der ich vor weniger als einem Jahrzehnt gedacht hatte, daß sie sich mir nie wieder stellen würde.
    Sollte ich ihr einen Gutenachtkuß geben?
    Es war ein Problem, und ich dachte darüber nach und fühlte mich ziemlich albern und ziemlich glücklich dabei. Aber mein ganzes Nachdenken führte zu nichts. Sie entschied für mich.
    Das Taxi hielt vor einer weißen Stuckmauer. Wie bei vielen der besseren italienischen Häuser umgab die Mauer einen Garten, in dessen Mitte sich das Haus befand. Das Ganze war recht nett – mindestens Kategorie A, dachte ich, obwohl es durch das Mondlicht schlecht zu erkennen war. Ich räusperte mich und lehnte mich halbwegs zu ihr herüber.
    Sie drehte sich um und blickte zu mir hoch. Das Mondlicht wurde hell von etwas in ihren Augen gebrochen, das nur Tränen sein konnten.
    Ich starrte sie an.
    Sie sagte kein Wort, schüttelte kurz den Kopf, öffnete die
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