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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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»Sorgt dafür, dass er noch etwas länger Ruhe gibt. Wir gehen an den Häusern vorbei und schleichen uns über die Felder davon.«
    Seine Füße quietschten in den Stiefeln, als er vorausging, um zu prüfen, ob sie jemand bemerkt hatte. Als er fünf Schritte vom Wasser entfernt war, fing die Tempelglocke erneut an zu läuten, viel lauter als zuvor und mit einem tieferen Klang. Das Geläut war so laut, so durchdringend, dass Yvon wie angewurzelt stehenblieb und sich nicht mehr rühren konnte. Seine Knochen vibrierten wie Harfensaiten, unendlich lang wie Flüsse, und selbst sein Knochenmark schlotterte. Als er endlich Luft holen konnte, um zu protestieren, zerfielen seine Muskeln wie Fleisch, das sich in kochendem Wasser vom Knochen löst, und seine Innereien verschmolzen zu einem einzigen Gallertklumpen. Unsichtbare, rote, heiße Schürhaken bohrten sich in seine Ohren, Nadeln durchstießen seine Augen, und die Zähne rasselten lose in seinem Kiefer wie Würfel in einem Würfelbecher. So fühlte es sich jedenfalls an. Sein ganzer Körper schmerzte.
    Das war nicht die Tempelglocke. Das war ein Zauber.
    Der Zauberer des Barons hatte einen Glockenbann über die Burg gelegt, und Yvon hatte wie ein Hammer dagegen gehauen. Sein Respekt für den Baron wuchs, genau wie seine Furcht. Er hatte schon Glockenbanne über einzelnen Räumen erlebt, in der Kaiserlichen Stadt, und einmal einen über einem kleineren Palast. Dies war nach Unruhen, um jemanden gefangenzuhalten, der zu wichtig war, um hingerichtet zu werden. Aber nichts davon war mächtig genug gewesen für eine ganze Burg.
    Yvon griff mit tauben Fingern unter seinen Kragen und tastete nach den Zauberanhängern an der Silberkette um seinen Hals. Fast hätte er den Hammerzauber erwischt. Dieser hätte der Glocke des Barons bestimmt eine tiefe Delle zugefügt, sie aber weiterläuten lassen, bis die Götter starben. Er fand den Flammenzauber, hielt ihn sich vors Gesicht und zerdrückte die Ampulle zwischen den Fingern.
    Blaues Feuer loderte auf, und die Glocke verstummte. Der Schmerz, der Yvon erfasst hatte, verglühte jäh, aber er fühlte sich erschöpft und krank.
    Das Modell der Burg, das der Zauberer des Barons irgendwo aufbewahrte, war soeben mitsamt der Glocke in Flammen aufgegangen, ganz wie die echte Burg vermutlich. Yvon hoffte, der Baron möge dicht neben dem Modell stehen und von der Hitze versengt werden.
    Xaragitte tippte ihm auf die Schulter. »Hö´´du´da?«
    »Was?« Ein Dröhnen in seinen Ohren dämpfte ihre Stimme. Als sie ihre Worte wiederholte, schaute er auf ihre Lippen.
    »Hörst du das?«
    »Ja!« Er schrie, ohne es zu wollen, weil ihm seine Stimme so leise vorkam. »Hoffentlich hat niemand begriffen, was das war. Wir müssen uns beeilen. Der Zauberer des Barons wird wissen, dass soeben jemand aus der Burg geflohen ist.«
    Trotz des Schlaftranks war Claye von dem Lärm aufgewacht. Er zog mit seinen kleinen Fingern an seiner Lippe und sperrte den Mund weit auf, auch wenn Yvon kein Weinen hörte. Er konnte fast gar nichts hören, nur das Läuten in seinen Ohren. Wenigstens war es durch die schiere Größe des Zauberbanns in die Länge gezogen worden und mittlerweile nur noch ein dünner Ton. Xaragitte und das Kind waren wohl außerhalb des Wirkungsbereichs gewesen, als er den Zauber ausgelöst hatte. Wenn es ihn schon so hart traf, hätten sie sonst bestimmt ernsthaften Schaden davongetragen.
    Er drehte sich um und führte sie an den drei Häusern vorbei. Direkt dahinter war das Lager der feindlichen Soldaten. Er blieb stehen. Etwas Nasses rann sein Bein hinunter. Als er ansetzen wollte, über die offene Fläche zu rennen, an den Zelten vorbei, klammerte sich Xaragitte an seinen Arm. Er wirbelte herum.
    Jemand kam zwischen den Häusern auf sie zu. In der Dunkelheit konnte man das Gesicht nicht erkennen, aber der Größe und Haltung nach musste es ein Soldat sein.
    »Bleibt dicht hinter mir«, befahl er Xaragitte.
    Der Mann kam näher, eine Hand auf seinen Schwertknauf gelegt. Kein Soldat, ein Ritter. Ein junger noch, ein Welpe mit einem lächerlichen Stummelschwanz, erkannte Yvon. Dennoch war es ratsam, ihn nicht zu unterschätzen. Manche Welpen konnten verdammt hart zubeißen, und dieser war noch dazu sehr groß.
    »Warum seid Ihr nicht stehengeblieben, als ich es Euch befohlen habe?«, fragte der Ritter.
    »Ha?« Yvon katzbuckelte wie ein guter, gehorsamer Untertan und ließ den kleinen Finger vor seinem Ohr kreisen, um dem Mann weiszumachen, er
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