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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
Autoren: Josef H. Reichholf
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Vorwort
    Von den Fabeltieren geht eine merkwürdige Faszination aus. Sie sind so »fabelhaft«, dass man sie, gäbe es sie nicht, erfinden müsste. Doch lässt sich etwas erfinden, für das es kein Vorbild gibt? Und warum hielten sich die Fabeltiere über Jahrtausende, obwohl sich die Zeiten doch wahrlich stark geändert haben? Was macht ihren Reiz aus? Welchen Eigenschaften verdanken sie ihre Beständigkeit bei allen Änderungen, die sie durchmachten, weil die Zeiten anders geworden waren? Sie blieben sie selbst, diese Wesen, die sich irgendwo zwischen Realität und Fiktion bewegen. Sie blieben, was sie von Anfang an waren: Lebendige Wesen mit besonderen Eigenschaften. Aus intensiver Beschäftigung mit ihnen kam ich zu dem Schluss, dass es sie gegeben hat. Einhorn, Phönix und Drache existierten. Sie waren nicht frei erfunden worden. Ausgestorben sind sie auch nicht. Sie leben immer noch. Das ist die Kernaussage dieses Buches. Mündliche Überlieferung, Übersetzungsfehler und absichtliche Veränderungen entstellten die realen Vorbilder jedoch mit der Zeit so sehr, dass aus wirklichen Lebewesen Fabelwesen wurden. Das Fabulieren liegt dem Menschen. Übertreibungen und Fehleinschätzungen machen sich selbständig. Sie verdichten sich zu Geschichten, die mit der Zeit und nach vielfältigen Abwandlungen so unglaubwürdig klingen, dass man sie als Aberglaube abtut. Und belächelt. Doch wir, die wir uns für »wissend« halten, lassen uns gegenwärtig kaum weniger vormachen als die Menschen früherer Zeiten. Bei ihrem einst so eng begrenzten Horizont mussten sie das glauben, was ihnen andere erzählten. Sie hatten im Gegensatz zu uns keine Möglichkeit, das Vernommene kritisch zu überprüfen. Doch auch wir zeichnen uns nicht gerade durch vorsichtig kritische Distanz zu den »Nachrichten« aus. Wir pflegen sie zu glauben, weil sie aus modernen technischen Kanälen kommen. Hinter diesen, an der Quelle der Nachrichten, befinden sich aber auch Menschen mit begrenzter Urteilskraft. Höchst selektiv wählen sie Informationen, die »nachrichtenwürdig« erscheinen und folglich »nachrichtengerecht«, d.h. Interesse erweckend, zurechtgemacht werden müssen. In jeder Nachricht steckt ein mehr oder minder umfangreiches Maß an Fabuliertem. Den gänzlich objektiven Bericht gibt es nicht. Objektiv sind nur die Ereignisse. Was darüber berichtet wird, ist subjektiv. Halten wir uns das stets vor Augen, wenn wir uns mit Phänomenen befassen (wollen), die unglaubwürdig, ja unmöglich erscheinen. Die Grenzen des Möglichen setzt die Natur, nicht der Mensch mit seinen Vorstellungen. In diesem Sinne wollte ich die Fabeltiere nicht einfach in zoologisch-besserwisserischer Manier als »unmöglich« abtun. Ich versuchte, sie zu hinterfragen.
    Für alles gibt es eine natürliche Erklärung. Von diesem Grundsatz ging ich aus, als ich vor gut einem Jahrzehnt begann, mich näher mit Fabeltieren zu befassen. Da ihnen Eigenschaften und Funktionen von Tieren zugeschrieben werden, gehören die Fabeltiere selbst dann zum Bereich der Zoologie, wenn es sie in Wirklichkeit gar nicht gibt und nie gegeben haben sollte. Ich bin Zoologe. Also fühle ich mich berechtigt, auf meine zoologische Weise die Spurensuche nach ihnen zu betreiben, wie das Historiker und Volkskundler, Psychologen, Philosophen und andere auf ihre je eigene Weise tun. Jede Betrachtungsweise hat ihre Berechtigung. Keine bedarf der Lizenz einer anderen. Um die Fakten, so es solche gibt, kommt allerdings keine Forschungsrichtung herum. Enthält ein Fabelwesen Eigenschaften eines Tieres oder solche von mehreren, voneinander verschiedenen Tieren, ist deren gründliche Berücksichtigung bei der Suche nach dem Ursprung unabdingbar. Nur reine Spekulationen können sich davon ausnehmen, was diesen allerdings nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Da die Vorstellungen von Fabeltieren aus vergangenen Zeiten stammen, müssen auch die historischen Verhältnisse so weit wie möglich berücksichtigt werden.
    Vieles empfanden die Menschen früher ganz anders, als wir es in unserer Zeit zu sehen pflegen. Verlässliche Angaben über Tiere, die nicht allgemein bekannt sind, gibt es erst seit zwei bis drei Jahrhunderten. Manche Arten hatten allerdings die Naturforscher der Antike schon trefflich beschrieben. Ihr Wissen geriet weitgehend in Vergessenheit. Zur Wiederentdeckung und Auslegung ihrer Schriften kam es erst über ein Jahrtausend später in der Renaissance. Nicht alles wurde verstanden, weil die
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