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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
Autoren: Josef H. Reichholf
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zu erobern. Das gelang ihm zwar nicht, aber zumindest zeitweise setzten sich die Perser in Oberägypten fest. Dabei können sie die Verehrung des sagenhaften Vogels Benu kennengelernt und nach Persien gebracht haben. Da man ihn dort nicht kannte, nahm er schnell veränderte Züge an. Die Perser kombinierten ihn mit den geläufigen heraldischen Attributen der Falken.
    Lassen wir den chinesischen Feng Huang vorerst beiseite und konzentrieren wir uns nach dieser geographischen Einkreisung auf den Phönix selbst. Offenbar kam er im gesamten Raum der Alten Ägypter, Perser und Griechen nicht beständig vor. Nur Altägypten suchte er in recht vage bestimmten, sicherlich der Zahl der Jahre nach übertrieben großen Zeitabständen immer wieder auf. Gekommen sein konnte der Phönix somit nur aus den unbekannten Gebieten des tropischen Afrika. Die Arabische Halbinsel passt nicht als Herkunftsregion, weil der Benu/Phönix von dort aus viel eher an den Persischen Golf und zu den altbabylonischen Reichen geflogen wäre als über das Rote Meer nach Ägypten. Dieses und seine Umgebung taucht in der Überlieferung nirgendwo als Herkunftsgebiet des Phönix auf. Dieser Raum gehörte jedoch zur bekannten Welt, Afrika südlich von Nubien aber nicht. Dort lebten die ›Aethiops‹, wie sie von den Griechen genannt wurden, die Menschen mit den verbrannten Gesichtern, die Schwarzafrikaner. Arabien zählte nicht dazu.
    Der Vogel war schön; so wunderschön, dass es in der ganzen mediterranen Welt keinen schöneren gegeben hat. In Persien und dahinter im Fernen Osten, in China, verschmolz er mit den dort am meisten geschätzten und schönsten Vögeln, den Falken und Pfauen, zu Chimären. Er war flammend rot. Das drücken sein griechischer Name Phönix und das Bild vom Feuer, das ihn verzehrt, eindeutig aus. Feuerrot, richtig flammend rot, muss er gewesen sein. Gewiss handelte es sich um einen großen Vogel. Sonst wäre bei Sonnenaufgang nicht der »brennende« Eindruck zustande gekommen. Rote Singvögel, richtig intensiv rote wie den Roten Kardinal Nordamerikas, gibt es in der ostmediterranen, nordafrikanischen Region nicht. Sie wären zudem wegen ihrer Kleinheit nicht für wert genug befunden worden.
    Der einzige große und tatsächlich partiell flammend rote Vogel ist der Flamingo. Zwei Arten gibt es davon in Afrika, den Rosaflamingo Phoenicopterus ruber und den deutlich kleineren Zwergflamingo Phoeniconaias minor . Zu ihnen, die nachfolgend nur Flamingo genannt werden, wenn eine Unterteilung in die beiden Arten nicht nötig erscheint, passen (fast) alle übrigen Angaben zum Phönix. Seine Besonderheiten sind auch ihre. Sie kommen unregelmäßig, oft erst nach langer Abwesenheit wieder, zu den salzigen Küstenlagunen ans Mittelmeer. Sie bauen Kegelnester aus Schlamm möglichst fernab von festem Land. Nach Ende einer Brutperiode bleiben zahlreiche Skelette und Federn von toten Jungen und gestorbenen Altvögeln in der Brutkolonie zurück. Die anfänglich grauen Jungen werden auf größere Entfernung erst sichtbar, wenn sie ihr rotes Gefieder bekommen haben. Die Altvögel fliegen viel bei Sonnenauf- und -untergang. Ihr Gefieder trägt partienweise, vor allem im Armteil der Flügel ein außerordentlich intensives Rot, das weithin leuchtet. »Flammenvögel« hat man sie treffend genannt. Ihre Brutplätze zu finden war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert hinein sehr schwierig. Der britische Ornithologe Leslie Brown suchte viele Jahre lang danach im Großen Afrikanischen Grabenbruch von den Seen Äthiopiens bis nach Tansania. Beim Versuch, eine Brutkolonie auf einem Salzsee in Ostafrika zu erreichen, wäre er beinahe ums Leben gekommen. Er blieb im zähen Salzschlamm stecken und konnte sich nur mit größter Anstrengung wieder ans feste Ufer zurückschleppen.
    Für die Menschen der Antike müssen solche Vögel mehr als nur ein Rätsel gewesen sein. Sie suchten die heißesten und gefährlichsten Orte auf, die Menschen aus guten Gründen mieden. Sie schienen in der Tageshitze, die über den Salzpfannen waberte, zu verbrennen. Dabei züngelte ihr Rot flammenartig empor. Konnte man später, im Winter, die Brutstätten erreichen, weil die Vögel weggezogen waren und monatelange Trockenheit den Schlickboden begehbar fest gemacht hatte, fand man die stumpf kegelförmigen Nester aus grauem Schlamm, der dabei war zu zerfallen und der Asche ähnelte. Vertrocknete, von der Sonne ausgedörrte Kadaver von alten und jungen Flamingos lagen verstreut
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