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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
Autoren: Josef H. Reichholf
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aller Flamingo-Seen, am Nakurusee in Kenia. Ich komme darauf zurück.
    Auf der Andenhochfläche leben dank der besonderen Beständigkeit der Salare sogar drei verschiedene Arten von Flamingos, der Anden- Phoenicoparrus andinus , der kleinere James- oder Punaflamingo Phoenicoparrus jamesi und der dem altweltlichen Rosaflamingo recht ähnliche, etwas rötere Chileflamingo Phoenicopterus chilensis . Dieser kommt auch im westlichen Küstenbereich Südamerikas und östlich der Anden in Argentinien und Südbrasilien vor, während die beiden anderen Arten beständig oben auf der Andenhochfläche in Höhen zwischen 3700 und 4700 Metern über dem Meeresspiegel bleiben und zeitweise bis in knapp 5000 Metern Höhe leben können. Flamingos sind also keineswegs »tropische« Vögel, wie man ihrem Äußeren nach meinen könnte, sondern durchaus in der Lage, in den nachts recht kalten Höhen der Andenhochfläche zu bleiben und auch erfolgreich zu brüten. Dort gibt es allerdings das Hitzeflimmern bei weitem nicht so ausgeprägt wie in Afrika und Südasien, so dass die Andenflamingos offenbar für die Indios keinen Anlass gegeben haben, Fabelwesen aus ihnen zu machen. Sie bleiben zudem meist an Ort und Stelle. Weiter herum streift lediglich der Chileflamingo, dessen Artstatus strittig ist. Bis in die 1990er Jahre hinein hat man ihn als Unterart des altweltlichen Rosaflamingos betrachtet, der in Afrika, Südeuropa und Südwestasien vorkommt und Großer Flamingo genannt worden war. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt er auch von diesem ab. Irgendwann überflogen Gruppen altweltlicher Rosaflamingos, getragen vom stetigen Nordostpassat, den Atlantik, erreichten die Karibik und gründeten dort neue Brutkolonien. Im Lauf der Zeiten entwickelten sie jene geringen Unterschiede, die manche für groß genug halten, dem amerikanischen Großflamingo als Chileflamingo den Status einer eigenen Art zuzuteilen. Diese Deutung ist keine bloße Theorie. Die Atlantiküberquerung geschah bei den Flamingos sogar mindestens zweimal. In der Karibik kommt nämlich auch der altweltliche Rosaflamingo vor, der sich von seinen Artgenossen in Afrika nahezu nicht unterscheidet. Eine kleine Gruppe davon lebt auf den Galapagos-Inseln. So gewaltige Fernflüge über den Ozean möchte man den so zerbrechlich wirkenden Flamingos gar nicht zutrauen. Sie erreichen im Flug ohne Rückenwind aber eine Geschwindigkeit von 50 bis 60 Kilometern pro Stunde. Eine Atlantiküberquerung von der Banc d’Arguin in Westafrika an der Küste Mauretaniens bis in die Karibik bedeutet eine Flugstrecke von 5000 Kilometern oder rund 100 Flugstunden. Kräftiger Passatwind kann den Zeitaufwand stark vermindern bis nahezu halbieren auf drei Tage und Nächte Flug. So eine Leistung gelingt den Flamingos im stetigen Wind übers Meer eher als bei 1000 Kilometer Flugstrecke über Land in Afrika oder Asien mit wechselnden Winden und starken Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Die beträchtlich kleineren, weitgehend weißen Kuhreiher ( Bubulcus ibis ) schafften den Flug von Afrika nach Südamerika auf eigenen Schwingen Ende der 1920er Jahre. 1930 brüteten sie erstmals in Guyana. Inzwischen sind sie die häufigsten Reiher in Süd- und auch in den tropisch-subtropischen Teilen Nordamerikas. Tausende oder Zehntausende Jahre früher gelangten die ihnen in der Körpergröße und Gestalt ähnlichen Nachtreiher ( Nycticorax nycticorax ) von Westafrika nach Amerika. Sie breiteten sich aus, entwickelten aber nur geringe Unterschiede zu ihrer Herkunftsart, so dass in Amerika gegenwärtig drei Unterarten unterschieden werden: Nycticorax nycticorax hoactli im größten Teil von Süd- und Nordamerika, obscurus von Chile bis Feuerland und falklandicus auf den Malvinas oder Falklandinseln.
    Diese Beispiele sind im Zusammenhang mit den Flamingos sehr aufschlussreich. Denn wie oben schon angedeutet, wird der Rosaflamingo in zwei Unterarten aufgeteilt, von denen die eine, die Linné vorlag, als er dem Flamingo den wissenschaftlichen Namen Phoenicopterus ruber im Jahre 1758 gegeben hat, nicht aus Europa und Afrika, sondern aus Mittelamerika kam. Einschließlich des Unterartnamens heißt sie deswegen vollständig Phoenicopterus ruber ruber Linné, 1758. Der altweltliche Zwilling davon wurde erst später erkannt und als Phoenicopterus ruber roseus von Pallas 1811 beschrieben. Gut ein Jahrzehnt vorher, 1798, benannte Geoffroy den afrikanischen Zwergflamingo als Phoeniconaias minor . Was sagt uns diese
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