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Hoellenprinz

Hoellenprinz

Titel: Hoellenprinz
Autoren: Zara Kavka
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1
    E twas kroch über ihre Wange. Es war groß. Ela spürte das an dem Gewicht, an dem Kitzeln, das sich ihrem Mund näherte. Sie hätte das Etwas gerne weggescheucht. Aber sie konnte nicht. Ihr Körper fühlte sich an wie eine muskellose Masse. Sie presste ihre Lippen aufeinander. Eine andere Bewegung brachte sie nicht zustande. Das Tier lief über ihr Gesicht und blieb vor dem linken Auge stehen. In dem Moment weckte der Ekel sie endgültig und mit einer hektischen Bewegung scheuchte sie es weg. Mit einem Schlag tat ihr alles weh.
    Etwas drückte schmerzhaft an ihrem rechten Ohr. Sie versuchte, sich umzudrehen, doch schon mit der ersten Bewegung schrie ihr Kopf auf. Er dröhnte und pochte im Rhythmus ihres Herzschlags. Vorsichtig schob sie ihre linke Hand unter ihr Ohr. Da war etwas Hartes. Aber es ließ sich nicht bewegen. Sie öffnete die Augen. Wie ein Dolch stach das morgendliche Dämmerlicht zu. Sie stöhnte und schloss die Augen wieder. Ruhig atmen.
    Ein. Aus. Ein. Aus.
    Ela war übel. Und sie hatte Durst. Schrecklichen Durst sogar. Vorsichtig öffnete sie wieder die Augen und gewöhnte sich langsam an das Licht und den pochenden Schmerz. Sie sah Bäume, sah Laub und Tannenzapfen, sah einen Baumstumpf. Sie war in einem Wald … aber sie konnte sich nicht daran erinnern, wie und warum sie hergekommen war.
    Behutsam stützte sie sich mit dem Ellbogen auf und rieb ihr schmerzendes Ohr. Auf ihrer Haut spürte sie den Abdruck des Ohrrings. Sie blickte auf die Stelle, wo gerade noch ihr Kopf gelegen hatte. Eine spitze Wurzel. Kein Wunder, dass es so wehtat. Sie griff an ihr linkes Ohr. Der zweite Ohrring war weg. Mist. Sie schaute sich um, vorsichtig, bemüht, sich nicht zu ruckartig zu bewegen. Der Ohrring war nicht zu sehen. Jetzt tat auch noch ihre Hüfte weh. Da lag auch etwas drunter. Sie setzte sich langsam auf und tastete nach einem Stein. Nach dem Schmerz zu urteilen, musste sie ziemlich lange hier gelegen haben. Ela war kalt, trotz des dicken Pullis, den sie anhatte. Sie blickte an sich hinunter. Diesen Pulli hatte sie schon mal gesehen und auch der Geruch kam ihr bekannt vor. Aber sie wusste nur, dass es nicht ihrer war. Überhaupt kam ihr alles fremd vor. Warum hatte sie auf dem nackten Waldboden geschlafen? Das Pochen und Stechen in ihrem Kopf war nicht auszuhalten. Sie kroch zu dem Baumstumpf, der neben ihr etwa einen halben Meter aus dem Boden ragte, und lehnte sich dagegen, so konnte sie bewegungslos sitzen.
    Die Abiparty. Daniel hatte Caro und sie gestern mit auf seine Abiparty genommen. Langsam schwebten einzelne Bilder wie Seifenblasen durch ihr Bewusstsein. Mirko. Sie hatte mit ihm getanzt, und das hatte sich gut und falsch zugleich angefühlt. Die Musik. Die brüllenden Lautsprecher des riesigen, altmodischen Gettoblasters. Der Geschmack von Alkohol, Zigaretten, Torte. Bei dem Gedanken krampften sich ihr Kopf und Magen zusammen. Atmen, ruhig atmen.
    Ein. Aus. Ein. Aus.
    Das Lagerfeuer. Sie sah die hoch aufgeschichteten Holzscheite vor sich, die lodernden Flammen und hörte das Stimmengemurmel drum herum…
    Wieder kroch etwas an ihr hoch. Diesmal an ihrem Schuh. Ein Käfer mit leuchtend grünem Rücken. Sie beobachtete, wie er mühelos ihr linkes Jeansbein hinaufkrabbelte. Am Knie schnipste sie ihn weg. Es war ein verdammter Scheißtag gewesen. Wie alle Tage Scheißtage gewesen waren, seit Caro mit Daniel zusammen war. Der vertraute Kloß meldete sich in ihrer Magengegend. Sie hatte den ganzen gestrigen Tag neben dem frisch verliebten Paar verbracht. Zum Kotzen! Sie ließ ihren Kopf nach hinten fallen, was sofort mit einem schrecklichen Stechen bestraft wurde, und Ela wünschte sich in dem Moment, an einem Baum und nicht an einem Stumpf zu sitzen. So gerne hätte sie ihren Kopf angelehnt. Sie kippte ihn wieder nach vorne, zog unter Schmerzen die Knie an und legte ihn drauf.
    Bilder und Geräusche von gestern Abend kamen und gingen. Sie hörte sich lachen, laut – viel zu laut. Gesungen hatte sie auch. Und getanzt. Nichts davon war echt, rein gar nichts! Das letzte Bild war der Tanz mit Mirko. Danach kam keins mehr, auch keine Erinnerung daran, warum sie im Wald geschlafen hatte, nur noch ein schwarzes Loch.
    Oh mein Gott! Sie hatte einen Filmriss! Reflexartig hob sie trotz der Schmerzen ihren Kopf und schaute in das morgendliche Dämmerlicht, um der beängstigenden Schwärze zu entkommen. Gehört
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