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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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Xaragitte.
    »Das bin ich, keine Angst.« Er packte den Korb, zog ihn nach unten und spähte hinein. »Was für ein gefährlicher kleiner Winzling!«
    Sie lachte nicht über seinen Witz; vielleicht bohrte der Stachel zu dicht am Knochen der Wahrheit. Lord Gruethrists plötzliche Heirat mit Lady Ambit, die Geburt Clayes und seine sofortige Verlobung mit der kleinen Tochter von Lady Eleuate - all das vereinigte mit einem Schlag alle drei Herrscherfamilien dieser Grenzprovinz. Die Familien hatten darauf vertraut, dass der betagte, nachlässige Baron Culufre weiterhin in Untätigkeit verharrte und sie mit ihrem vereinten Griff nach der Macht davonkämen. Aber der Alte war gestorben und durch einen jungen Mann ersetzt worden, der ein Günstling der Kaiserin war. Seine Armee war auf Burg Gruethrist zu marschiert und hatte sie belagert. Das Kind trug also in gewisser Weise die Verantwortung dafür.
    Der Säugling drehte sich und verzog das Gesicht. Er war neun Monate alt, rundlich trotz seiner langen Glieder, und hatte dickes, blauschwarzes Haar. Xaragitte nahm ihn aus dem Korb und legte ihn in das Tuch, das sie um die Schulter gebunden hatte. »Ruhig, mein Kleiner, du bist in Sicherheit.«
    Das nun nicht gerade, dachte Yvon und zog seinen Dolch. Der harte Stahl in seiner Hand beruhigte ihn. Er sägte das Seil durch und zog daran, aber nichts geschah. Als er nach oben schaute, fiel ein dunkler, massiger Umriss durch die Öffnung im Boden der Kammer.
    »Verflixt!«
    Das Bündel mit den Vorräten für ihre Reise. Yvon konnte gerade noch verhindern, dass die Amme von dem Sack getroffen wurde. Er fluchte.
    »Das Gift begann schon zu wirken, als Kepit mich am Seil hinabließ«, flüsterte Xaragitte. Über ihnen glitt die Steinplatte mit einem lauten Knirschen zurück an ihren Platz.
    Yvon nahm den Sack und schluckte eine weitere scharfe Bemerkung hinunter. Wenn sie entkamen, würde außer ihnen nur Lord Gruethrist wissen, was wirklich passiert war. Selbst Lady Gruethrist würde nur erzählt bekommen, dass das Kind mit seiner Amme im Feuer umgekommen wäre. Das Gift, das Kepit genommen hatte, schützte dieses Geheimnis. Es verhinderte auch, dass man dem Eunuchen das Kleid vom Leibe riss, und ersparte ihm die schmerzhafte Hinrichtung durch die Hand des Barons, die er zu erwarten hatte, wenn die Burg sich ergab - Eunuchen wurden von der Kaiserin ernannt und hatten Ihr zuerst zu dienen.
    Yvon watete ins Wasser und schleuderte die Tasche auf die andere Seite des Burggrabens. »Es ist zu tief für Euch, Mylady. Ich werde Euch tragen.«
    »Das schaffe ich schon«, sagte sie entschieden.
    Er schaufelte einige Handvoll stinkende Erde in den Korb und versenkte ihn im Wasser. »Euer Rock wird mächtig schwer sein, wenn er nass wird, und wir haben noch viele Wegstunden vor uns.«
    Sie ging einen Schritt auf das Ufer zu.
    »Haltet Euch gut fest«, sagte er und hob sie hoch, ehe sie protestieren konnte. Er trat in das kalte Wasser, dessen Oberfläche schwarz war wie der Himmel und übersät von Wolken aus Schleim. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Die Armee des Barons hatte den Burggraben im Lauf der Belagerung langsam mit Abfällen und Unrat gefüllt. Das kam Yvon nun zugute. Am tiefsten Punkt reichte ihm das Wasser nur bis zur Taille, und mit einiger Anstrengung gelang es ihm, Frau und Kind aus der stinkenden Brühe herauszuhalten. Xaragitte schlang einen Arm um seinen Hals, klammerte sich an ihn und drückte ihren Busen gegen seine Wange. Er konzentrierte sich auf jeden Schritt, damit er auf dem glitschigen Untergrund nicht ausrutschte. »Ich wurde als Bürgerlicher geboren, so wie Ihr«, sagte er unvermittelt.
    »Das hat Seine Lordschaft mir gesagt«, erwiderte sie ebenso hastig.
    »Ah.« Sie hatte sich also beim Lord über ihn erkundigt. Frauen taten das häufig, ehe sie sich um eine offizielle Beziehung bemühten.
    »Ich hatte nicht erwartet… «, fing sie an.
    »Was?«
    »Mylady Gruethrist sagte, Ihr wärt sehr gefährlich.«
    »Das bin ich auch«, sagte er. »Für ihre Feinde und für Eure.«
    Er wankte das Ufer hinauf und setzte die Amme ab. Dann schaute er in den umliegenden Schatten nach den Soldaten des Barons. Das anhaltende Geläut der Tempelglocke erfüllte die Luft mit einem Lärm so dicht wie Qualm.
    »Er wacht auf«, sagte sie. Der kleine Junge saugte an seinem Daumen. »Wir hätten ihm einen stärkeren Schlaftrank geben sollen.«
    Wenn er nun weinte und ihnen die Männer des Barons auf den Hals hetzte… ?
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