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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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verwundetes Gesicht. Yvon ließ den Dolch in der Hand wirbeln und stieß die spitze Klinge tief in die zerstörte Augenhöhle. Die Beine des Jünglings zuckten ein letztes Mal und lagen dann still. Yvon versetzte dem Körper einen prüfenden Tritt; nichts regte sich. Während er den Dolch am Hemd des Toten abwischte und zurück in die Scheide steckte, sah er sich lauernd um.
    »Könnt Ihr laufen, während Ihr ihn stillt?«, fragte er die Amme.
    Sie sah ihn an und bebte. »Ja.«
    »Dann lasst uns aufbrechen.« Er suchte die Tasche und hängte sie sich um. Sein ganzer Körper schmerzte. »Gut gemacht«, sagte er. »Ihr seid ruhig geblieben und habt den Kleinen besänftigt.«
    Beißende Rauchschwaden legten sich über sie und trieben der Amme die Tränen in die Augen. »Was immer für Clayes Rettung getan werden muss, werde ich tun«, sagte sie.
    Er nickte ihr zu und führte sie dann rasch an dem Ring aus Zelten vorbei in die Dunkelheit. Zwanzig Wegstunden durch die Wildnis lagen zwischen ihnen und den schützenden Mauern von Lady Ambits Burg. Yvon würde mindestens zwei Tage mit Xaragitte allein sein. Noch gestern in der Burg hätte er davon nicht einmal zu träumen gewagt.
    Seine Socken schwappten in den durchnässten Stiefeln, der nasse Stoff seiner Hosen scheuerte an seinen Beinen, und er stank nach Jauche. Während sie die letzten ungepflügten Felder am Waldrand durchquerten, schaute er immer wieder zu Xaragitte, so wunderschön, obwohl die Nacht ihr Gesicht vor ihm verbarg, und trotz allem musste er grinsen.
    Er pfiff ein fröhliches, kleines Lied, das ihnen Glück bringen sollte. Die Melodie drang dumpf an seine tauben Ohren.

Kapitel 2

    Claye zappelte auf dem Arm der Amme und versuchte einen morgendlichen Sonnenstrahl zu erhaschen, der durch die Zweige der Bäume fiel. Jedesmal, wenn er sein leeres Fäustchen sah, quietschte er enttäuscht.
    Xaragitte stand mit verächtlicher Miene neben Yvon, viel zu nah, wie dieser fand, während er wieder einmal mit nacktem Hintern dahockte, diesmal neben einem morschen Baumstamm.
    »Ihr hättet mich längst der sicheren Obhut Lady Ambits übergeben sollen«, sagte sie.
    Er ließ den Kopf auf die Knie sinken, zu krank und zu elend, um zu antworten. Es war der dritte Sonnenaufgang seit ihrer Flucht aus der Burg. Etwas - der Bann des Zauberers, der schmutzige Wassergraben, die Knisterbeeren oder alles zusammen - hatte seine Eingeweide in Brei verwandelt und wrang ihm nun das Gedärm aus.
    »Claye sollte längst in der Obhut seiner Großmutter sein«, sagte sie, von einem neuerlichen Quietschen des Kindes unterbrochen.
    »Bald«, sagte Yvon schwach.
    »Bald? Ihr Schloss liegt nur zwei Tagesmärsche entfernt!«
    Er stöhnte und hielt sich den schmerzenden Bauch, während er aufstand und sich die Hose hochzog. Seine Beine schlotterten ebenso sehr wie sein Magen. »Mir geht’s schon besser«, sagte er. »Heute kommen wir bestimmt ein gutes Stück voran. Vielleicht können wir ein Boot stehlen und uns von der Strömung des Flusses zu Lady Ambits Burg tragen lassen.«
    »Ein Boot?« Mit einer Hand das Kind haltend, berührte sie mit drei Fingern der anderen Hand nacheinander Stirn, Kinn und Brust und murmelte dazu zwei Namen, eines Gottes und einer Göttin. »Und was ist mit den Dämonen?«
    »Das Wasser ist kalt von der Schneeschmelze, sie sind träge und werden uns nicht gefährlich werden.« Um schneller voranzukommen, würde er es riskieren. Flußdämonen waren nicht immer lebensgefährlich, und Yvon zog es in jedem Fall vor, sich mit ihnen zu messen als mit den Männern des Barons.
    Xaragitte erschauerte. Ihr Blick war abwesend, als wäre sie für einen Moment an einem ganz anderen Ort.
    Ehe Yvon sie fragen konnte, atmete sie tief ein und beruhigte sich. »Auf dem Fluss erwischen uns wenigstens die Wölfe nicht«, sagte sie.
    »Die Wölfe, die wir letzte Nacht hörten, waren weit weg«, entgegnete Yvon. Er schwang sich das Bündel über die Schulter und verschwieg, dass ihr Heulen aus der Richtung gekommen war, in die sie unterwegs waren.
    Um ihr auf dem engen Waldpfad einen Weg zu bahnen, ging Yvon vor Xaragitte. Seine Beine waren zittrig - noch ein Grund, trotz der Dämonen die Fahrt mit einem Boot zu wagen.
    Die Hügel, die zu beiden Seiten neben ihnen aufragten, wurden allmählich flacher, als sie sich dem Fluss näherten. Auf den nördlichen Hängen lag in geschützten Winkeln hier und da immer noch Schnee, die Südhänge jedoch wurden von der Sonne erwärmt, und an den
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