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Die Männer der Raumstation

Die Männer der Raumstation

Titel: Die Männer der Raumstation
Autoren: Hans Kneifel
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1
     
    Der Mann, der Amok laufen würde, stand an einem der Fenster und sah hinaus ins Mare Imbrium.
    Das Fenster maß einen halben Meter in der Höhe und vier Meter in der Breite; es bestand aus elastischem Druckglas. In dem harten, kalkigen Licht und dem Spiel schwarzer Schatten erkannte der Mann rechts von ihm den Hang des Ringkraters Eratosthenes, vor ihm lagen drei kleine Krater in der weißen Ebene verstreut, links schwang sich die Bucht dem Zentrum entgegen. Sie splitterte sich, zwischen Mondapenninen und Kaukasus gelegen, in immer kleinere Erhebungen auf, die eine Mischung zwischen starren Nadeln und sanft abfallenden Kegeln aller Querschnitte darstellten.
    Das vierundzwanzigste Jahrhundert hatte Dinge hervorgebracht, von denen ein halbes Jahrhundert früher nicht einmal die kühnsten Geister geträumt hatten, aber es hatte Seelen, Herzen und Verstand der Menschen nicht um einen Deut geändert. Es war nur alles fortschrittlicher geworden, teilweise schöner, meist durchdachter, doch von einer generellen Evolution des Gewissens, der Verantwortlichkeit oder der Ethik war keine Spur zu bemerken. Man kletterte keuchend die schmale, sehr gefährliche Leiter des technischen Fortschritts hoch und hielt nach der obersten Sprosse Ausschau.
    Der Mann, der Amok laufen würde, zündete sich mit ruhiger Bewegung eine dünne dunkelbraune Zigarre an, hielt sie wippend zwischen den Zähnen und starrte hinaus auf das leblose Schauspiel. Er war noch jung und von der Qualität einer Präzisionsuhr; die stählerne Feder war sein brennender Ehrgeiz, der ihn bis hierher gebracht hatte.
    Es war in der zweiten Hälfte des Mondtages. Auf der Ebene vor dem Hang des Projekts standen drei Schiffe. Zwei Schlepper, die schwere Kubitainer gebracht hatten und ein Personenboot, eine schlanke Rakete mit zwei langen Tragflügeln; ein Boot, das auf Terra landen konnte wie ein Düsenklipper. Hinter den Schiffen reckte die Parabolantenne ihre Schale nach oben. Im Schnittpunkt der Zieleinrichtung befand sich der Polarstern. Die Markierungen, die wie rundgeschliffene Diamanten wirkten und die Ebene in einzelne Felder aufteilten, bestanden aus einem Kunststoffwürfel mit dem winzigen Peilsender und der vierfarbigen Lampe und einer metergroßen Plexiabdeckung, halbkugelig.
    Jetzt kam Leben in die Szene:
    Ein Schlepper fuhr schnell auf seinen wuchtigen Niederdruckwellen den Schleusen des Projekts entgegen. Hinter den walzenförmigen Reifen wallte eine Staubwolke träge auf und setzte sich ebenso träge wieder. Jetzt schnitt der Schlepper eine Kurve und verschwand unter dem weit in das Mare hinausragenden Vordach, das die Schleuse vor Meteoren schützte.
    Der Mann, der Amok laufen würde, betrachtete das leblose Idyll und schwieg. Hinter ihm tickten und summten die Geräte, mit denen er hier alles seiner Idee unterordnete. Er stand in seinem Büro, und von hier aus beherrschte er sozusagen die Kuppel und vier Kubikkilometer des innergebirglichen Kavernennetzes.
    Projekt Laser-Ozma.
    Die Innenwände des runden Raumes hier und eines jeden anderen Raumes im Fels, die von kleinen Hochleistungsexkavatoren aus dem Gestein geschnitten worden waren, hatte man mit dickem und zähem Plastik ausgekleidet. Das Material fing Gesteinsverschiebungen bis zu einem gewissen Grad ab und isolierte hervorragend. Die Oberfläche bestand aus einem Vier-Millimeter-Raster mit pyramidenförmiger Ausprägung, deren achtfarbige Einkolorierung das Bild eines schweren, schillernden Leinenstoffes bot. Sämtliche Korridore, Schleusenkammern und Büros, die Arbeitsräume der Techniker – bis auf die Sicherheitskammern, die würfelförmige Stahltanks waren und in Styropor gelagert – trugen an den Wänden dieses Muster in verschiedenen Farben. Es wirke beruhigend, hatten die Farbpsychologen gesagt.
    Projekt Laser-Ozma. So geheim, daß nicht einmal die Wachen wußten, was sie beschützten.
    Hätten sie gewußt, daß sie es auch gegen die Macht eines Ultimaten Geistes zu schützen hatten, wären sie desertiert. So bevölkerten die Gestalten in weißen Kampfanzügen und schweren Waffen die Korridore, bewachten die Schotte und hielten sich in der Nähe von Maschinen auf, von denen sie nur wenig verstanden.
    Neujahr 2388/89.
    In achthundert Kilometern Entfernung vom irdischen Mond folgte ein riesiger Hohlspiegel dem Trabanten. Seine offene Seite war, durch ein elektronisches Steuerverfahren dirigiert, stets der Sonne zugewandt. Der Hohlspiegel maß dreiunddreißig Kilometer im
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