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Showtime! (German Edition)

Showtime! (German Edition)

Titel: Showtime! (German Edition)
Autoren: Nicole Kettler
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Sabrina Sommerfelds ausdrücklich formulierter Wunsch nach grundlegender Veränderung war offenbar von einer höheren Instanz erhört worden.
    Sie hätte weiterhin fleißig ihren monotonen Job ausüben, ihre gediegene Garderobe bügeln, den monatlichen Friseurtermin wahrnehmen und seufzend auf Mister Right warten können. Mit diesem würde sie dann pflegeleichte Kinderchen großziehen, die vorgeburtlich auf dem Gymnasium angemeldet und zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen würden. Ein Häuschen mit Garten, die Familienkutsche vor der Tür und die beste Freundin, mit der sie sich über Mode, Kosmetik, Schnäppchen im Supermarkt und Kindererziehung unterhalten würde, gegebenenfalls auch über die gängigste Art, sich mit nervtötenden Männerneurosen auseinander zu setzen. Bequemlichkeit und ein einwandfreier Ruf. Die ideale Zukunftsvision, wäre da nicht ein noch eher sanftes inneres Aufbegehren gegen genau diese Vorstellungen gewesen.
    Zugegebenermaßen lief ja auch nicht alles so, wie es sollte. Sie ignorierte beispielsweise stur den Umstand, dass nur die allmorgendliche Positiv-Affirmation 'meine Arbeit füllt mich aus und macht mir viel Spaß' es ihr ermöglichte, ohne zu murren ins Büro zu fahren. Was den ursprünglich als Vater ihrer zukünftigen Kinder eingeplanten Mann an ihrer Seite betraf, so legte dieser allabendlich die Füße auf den Tisch, hielt die Fernbedienung des Fernsehers für seinen persönlichen Erdmittelpunkt und war vollständig glücklich und zufrieden, wenn das Abendessen pünktlich um sechs auf dem Tisch stand. Nicht einmal die beste Freundin, Carla, ihres Zeichens engagierte Psychotherapeutin mit ausgeprägtem Bedürfnis, sich mehrmals die Woche nach Feierabend energisch zu amüsieren, entsprach dem, was sie sich als pflegeleichte Nachmittagsschwätzchen- und Tratschpartnerin vorstellte. Sie war, zu Sabrinas Leidwesen, eine sehr starke Persönlichkeit, eigensinnig und unerträglich ehrlich; zuweilen sogar taktlos, allerdings - und darauf wurde extrem viel Wert gelegt - nur außerhalb der offiziellen Dienstzeiten.
    Sabrinas gelegentlich an die Oberfläche dringende Unzufriedenheit war lange konsequent geleugnet worden, Langeweile durch drei Mal die Woche stattfindende Aerobic-Kurse verdrängt, bei denen frau gestylt wie für eine Bühnenshow auftauchte und nach Möglichkeit alles vermied, was womöglich ein Schwitzen und somit ein Verwischen des Make-ups verursachen könnte. Wenigstens konnte man behaupten, man treibe Sport, nicht wahr. Das war doch in . Ein Muss waren außerdem die Tupper-, Schmuck- und Dessouspartys, so ganz 'unter uns Hausfrauen'. Was letztere betraf, sah Sabrina nicht ein, für Unterwäsche derart viel Geld auszugeben, wo sich doch bisher diesbezüglich noch keiner beschwert hatte. Also ging sie nicht mehr hin, belegte stattdessen einen rasend aufregenden Töpferkurs in der Volkshochschule und hoffte im Stillen auf die gute Fee, die ihr drei Wünsche erfüllen möge: Herzklopfen wie nie zuvor. Spannung und Abenteuer. Die Eröffnung neuer -- und vor allem erstrebenswerterer - Lebensziele.
     
    Im Frühling war es, die Natur in und um Berlin ging soeben in die Startlöcher, um, wie jedes Jahr, urplötzlich in Frische und Schönheit zu explodieren, als die Weichen für ein Leben nach dem Trübsinn gestellt wurden. Ohne Vorankündigung und warnende Hinweisschilder.
    Dieser denkwürdige Abend, der in Sabrinas Tagebuch unter dem aussageträchtigen Schlagwort: Abend des Erbrechens eingehen würde, war trotz offenkundiger Pleite der Startschuss für die herbeigesehnte neue Ära.
    Carla hatte sie ganz bewusst weder darüber aufgeklärt, dass es sich bei dieser Veranstaltung, die sie ihr sehr redegewandt schmackhaft gemacht hatte, um eine dieser grässlichen Hardcore-Techno-Partys handelte, noch darüber, dass sie im SO 36 stattfand, dem pulsierendem Herzen von Kreuzberg. Und was das Schlimmste war: Eine Warnung vor Georgia O'Connor, dem personifizierten Untergang ihrer alten Welt, unterschlug sie ihr völlig.
    Wie hätte sie es auch wissen sollen.
     
     
    Stilgerecht hatte sich so ziemlich alles zu diesem Anlass versammelt, was Sabrina gemäßigtenfalls als 'degenerierte Nachtschattengewächse' zu bezeichnen pflegte. Ihre Laune sank bereits während der Parkplatzsuche auf den Nullpunkt, ihre mühevoll gestylte Fönfrisur in der stickigen Hitze der Diskothek zusehends in sich zusammen. Sie fühlte sich außerstande, gute Mine zum bösen Spiel zu machen, blaffte
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