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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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konnte er ja jederzeit in die Anderswelt zurückkehren. Kay, die mit ihm auf der Rückbank saß, fand ihn ziemlich cool in seiner Jeans und dem karierten Hemd mit dem hochgekrempelten leeren Ärmel und den zwei offenen obersten Kragenknöpfen.
    Artie saß vorne bei Kynder und alles, woran er denken konnte, war Qwon. In der Schule würde es ganz schön hart werden und Artie war einfach noch nicht bereit dafür.
    Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, sagte Kynder: »Hört mal, Leute. Nach allem, was ihr durchgemacht habt, werde ich nicht so tun, als hätte ich das Recht, euch zu belehren. Aber eine Sache möchte ich gerne loswerden. Ich weiß, dass ihr euch verändert habt und euch Sorgen macht, und wahrscheinlich auch noch ein wenig neben der Spur seid. Das ist völlig in Ordnung. Aber …« Er verstummte. Die Kingfisher-Kinder und Bedevere sagten nichts. Kynder fuhr fort: »Versucht einfach, in der Schule wenigstens ein bisschen aufzupassen, okay?«
    Kay sagte: »Alles klar, Pops«, und Bedevere brummte zustimmend. Die beiden stiegen aus und warteten am Straßenrand auf Artie.
    Kynder betrachtete seinen Jungen, der vor so Kurzem von einem derart seltsamen Ort zurückgekehrt war und eigenartige Dinge getan hatte. Er sagte: »Versuch, nicht an sie zu denken, okay, Art? Du wirst sie zurückholen. Merlin wird bald zurückkommen und dann werdet ihr sie zusammen holen gehen.«
    Artie hob den Kopf und lächelte. Leise sagte er: »Ich weiß. Ich wäre nur einfach so gerne dort.«
    »Natürlich. Aber du wärst schon mal beinahe getötet worden. Wir sollten auf Merlin hören und warten. Ich bin mir sicher, dass er gerade hart daran arbeitet. Er wird sich bestimmt bald bei dir melden.«
    »Das hoffe ich, Dad.«
    Kynder streckte die Hand aus und wuschelte durch Arties Haare. Dann schaute er durch die Windschutzscheibe, als würde er jemanden sehen, den Artie nicht sehen konnte. Schließlich sagte er: »Na dann. Hol sie dir, Tiger.«
    Artie brachte seine Haare in Ordnung und stieg aus. Er ging zu Kay und Bedevere und gemeinsam schlenderten sie über den Bürgersteig Richtung Schule.
    Artie sah auf den Boden und drehte Excaliburs Knaufkugel in der Hand, während Kay und Bedevere sich wegen irgendeines Insider-Scherzes gegenseitig in die Seite knufften. Plötzlich schallte von irgendwo jenseits des Parkplatzes ein vertrauter, nervtötender Pfiff herüber.
    »Hey! Kingfisher! Ich hab dich vermi-hisst …«
    Sie wandten den Kopf und sahen niemand Geringeren als Frankie Finkelstein, etwa sechs Meter entfernt von ihnen.
    Es war merkwürdig, aber in gewisser Weise war Artie noch nie glücklicher gewesen, jemanden zu sehen. Für einen Moment vergaß er Qwon. Für einen Moment war er wieder Artie Kingfisher, das leichte Opfer für Schlägertypen.
    Aber nur für einen Moment.
    Finkelstein war ein Stück gewachsen und ein bisschen dicker geworden. Und wahrscheinlich auch stärker.
    Artie hätte das nicht gleichgültiger sein können.
    Er steckte die Knaufkugel in die Tasche und reckte das Kinn in Finkelsteins Richtung. Der Schulhofschläger blaffte: »Was? Du willst dir eine einfangen? Jetzt schon?« Er stieß irgendeinen sommersprossigen Kumpan in die Rippen, den Artie vorher noch nie gesehen hatte, und lachte spöttisch.
    Bedevere setzte zu einer Frage an: »Wer ist diese Stechmücke, Majestät, und was kann ich …« Doch Artie hob die Hand und bedeutete ihm zu schweigen.
    Kay drehte sich zu ihrem Bruder um, den sie schon viele Male hatte retten müssen, und fragte: »Brauchst du Hilfe mit diesen Colaköppen, Art?«
    Ohne die beste große Schwester der Welt anzuschauen, antwortete Artie: »Nö. Ich mach das schon.«
    Artie ballte die Fäuste. Kay kicherte und führte Bedevere, der immer noch den Hals nach Artie reckte, zum Schuleingang und erinnerte ihn daran, es mit den Majestäten , Hoheiten und Gebietern gut sein zu lassen, solange sie auf dieser Seite waren.
    Artie starrte seinen sogenannten Erzfeind noch eine Sekunde lang an. Dann setzte er ein freundliches Lächeln auf und ging lässig aber entschlossen auf Finkelstein zu.
    Was dem Schläger am meisten zusetzte, und woran er sich den Rest seines Lebens erinnern würde, war, dass Artie Kingfisher während des gesamten Kampfes kein einziges Wort von sich gab.

Zwischenspiel
    Kreidebleich und schwer atmend ließ sich der alte Zauberer gegen einen dicken Baumstamm sinken. Ein Lüftchen ließ die Blätter erzittern und durchkämmte Gras und Unkraut, weckte den alten Mann jedoch
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