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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose
Autoren: Philippa Gregory
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FRÜHJAHR 1464
    Mein Vater ist Sir Richard Woodville, Baron Rivers, ein englischer Edelmann, Grundbesitzer und Verbündeter der wahren Könige von England, der Könige des Hauses Lancaster. Meine Mutter stammt von den Herzögen von Burgund ab, in ihren Adern fließt das wässrige Blut der Wassergöttin Melusine, die mit ihrem bezauberten herzoglichen Geliebten dessen Fürstengeschlecht gegründet hat. In Zeiten äußerster Not macht sie sich noch immer bemerkbar, dann ruft sie eine Warnung über die Dächer des Schlosses, wenn der Sohn und Erbe stirbt und die Familie dem Untergang geweiht ist. So berichten jedenfalls die, die daran glauben.
    Bei so einer unvereinbaren Abstammung – englische Bodenständigkeit und französische Wassergöttin – kann man von mir alles erwarten: Zauberin oder ganz gewöhnliches Mädchen. Manche sagen, ich sei beides. Aber heute, während ich mein Haar mit besonderer Sorgfalt kämme und es unter meinen höchsten Hennin stecke, meine beiden vaterlosen Jungen an die Hand nehme und mit ihnen zu der Straße gehe, die nach Northampton führt, würde ich alles geben, um nur dieses eine Mal einfach unwiderstehlich zu sein.
    Ich muss die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes wecken, der gegen einen unschlagbaren Feind zieht. Möglich,dass er mich nicht einmal bemerkt. Er wird nicht in der Stimmung sein, sich mit Bettlern oder koketten Frauen abzugeben. Ich muss seine Barmherzigkeit für meine Lage erregen, sein Mitgefühl für meine Bedürfnisse wecken und ihm so lange in Erinnerung bleiben, dass er sich für mich einsetzt. Und das bei einem Mann, der jeden Abend von schönen Frauen umgeben ist und von hundert Antragstellern für jedes Amt, das zu verleihen in seiner Macht steht.
    Er ist ein Usurpator und Tyrann, er ist der Sohn meines Feindes und mein Feind, doch ich bin niemandem mehr treu außer meinen Söhnen und mir selbst. Mein Vater kämpfte in der Schlacht von Towton gegen diesen Mann, der sich jetzt König von England nennt, obwohl er kaum mehr ist als ein angeberischer Junge; und ich habe noch nie so einen gebrochenen Mann gesehen wie meinen Vater, als er von Towton zurückkehrte – das Blut seines Schwertarms sickerte durch den Stoff seiner Jacke, sein Gesicht war kreidebleich – und sagte, dass dieser Junge ein Feldherr sei, wie er noch nie einen gesehen habe, dass unsere Sache verloren sei und dass für uns keine Hoffnung bestünde, solange er lebe. Zwanzigtausend Männer wurden auf Befehl dieses Jungen hingemetzelt; nie zuvor hat England so ein gewaltiges Morden erlebt. Mein Vater sagte, das sei keine Schlacht gewesen, sondern ein einziges Abschlachten von Lancastrianern. Der rechtmäßige König Henry und seine Frau, Königin Margarete von Anjou, flohen erschüttert nach Schottland.
    Wer von uns in England blieb, hat nicht freiwillig kapituliert. Wir haben weitergekämpft, um uns diesem falschen König, diesem Jungen aus dem Hause York, zu widersetzen. Mein Gemahl fiel vor drei Jahren in der Schlacht von St.   Albans, als er unsere Kavallerie befehligte. Jetztbin ich Witwe, und das Land und das Vermögen, das ich einst mein Eigen nannte, hat meine Schwiegermutter mir weggenommen, mit Zustimmung des Siegers, des Herrn dieses jungenhaften Königs, des großen Puppenspielers, den alle den Königsmacher nennen: Richard Neville, Earl of Warwick, der aus diesem eitlen Jungen, der gerade einmal zweiundzwanzig Jahre alt ist, einen König gemacht hat und der denjenigen von uns, die noch immer das Haus Lancaster verteidigen, das Leben in England zur Hölle macht.
    In jedem Herrenhaus im Land sitzen jetzt Yorkisten, die an jedem profitablen Geschäft, an jedem Ort und jeder Steuer teilhaben. Ihr junger König sitzt auf dem Thron, und seine Anhänger bilden den neuen Hofstaat. Wir, die Besiegten, sind Arme in unseren eigenen Häusern und Fremde in unserem eigenen Land, unser König ist im Exil und unsere Königin eine rachsüchtige Fremde, die sich mit unserem alten Feind Frankreich verbündet hat. Wir müssen uns mit dem Tyrannen von York einigen, und gleichzeitig beten wir, dass Gott sich gegen ihn wenden und unser wahrer König mit einer Armee zu einer weiteren Schlacht gen Süden stürmen möge.
    Inzwischen stehe ich, wie so manche Frau, deren Gatte gefallen und deren Vater besiegt ist, vor lauter Trümmern. Irgendwie muss ich mein Vermögen zurückgewinnen, obwohl es scheint, als könnten weder Verwandte noch Freunde etwas für mich erreichen. Wir sind alle als Verräter bekannt. Man
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