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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose
Autoren: Philippa Gregory
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von Towton vergeben.»
    «Ich erinnere mich an Euren Vater und Eure Mutter», erwidert der König ruhig. «Ich kenne sie seit meiner Kindheit, in guten Zeiten wie in schlechten. Ich bin nur überrascht, dass Ihr mir nie vorgestellt wurdet.»
    Ich muss ein Kichern unterdrücken. Der König ist berüchtigt für seine Verführungskünste. Niemand, der auch nur das geringste bisschen Verstand besitzt, würde ihm seine heranwachsenden Töchter vorstellen. «Wollt Ihr mir hier entlang folgen?», frage ich. «Es ist nur ein kurzer Spaziergang zum Haus meines Vaters.»
    «Möchtet ihr reiten, Jungen?», fragt er sie. Ihre Köpfe schießen hoch. «Ihr könnt beide aufsitzen», sagt er und hebt erst Richard und dann Thomas in den Sattel. «Haltet euch gut fest. Du dich an deinem Bruder und du – Thomas, richtig? – am Sattelknauf.»
    Er nimmt die Zügel in die Hand und bietet mir den anderen Arm dar, und so gehen wir im Schatten der Bäume durch den Wald zum Haus meines Vaters. Seine beiden Männer folgen uns in einigem Abstand. Durch den geschlitzten Stoff seines Ärmels spüre ich die Wärme seiner Haut. Ich darf mich nicht an ihn lehnen. Ich richte den Blick nach vorn zum Haus und zum Fenster meiner Mutter und sehe an der winzigen Bewegung hinter den Fensterscheiben, dass sie Ausschau gehalten hat, weil sie wollte, dass genau dies hier geschieht.
    Als wir näher kommen, erscheint sie in der Haustür, den Stallmeister an ihrer Seite. Sie knickst tief. «Euer Gnaden», sagt sie freundlich, als käme der König jeden Tag zu Besuch. «Herzlich willkommen in Grafton Manor.»
    Ein Stallbursche kommt herbeigelaufen und nimmt die Zügel, um das Pferd in den Stallhof zu führen. Meine Jungen klammern sich die letzten paar Schritte noch fest, und meine Mutter tritt zurück und bedeutet dem Königmit einer Verbeugung, in die Halle einzutreten. «Möchtet Ihr ein Glas Dünnbier?», fragt sie. «Wir haben aber auch einen sehr guten Wein von meinen Burgunder Cousins.»
    «Ich nehme das Bier, wenn es Euch recht ist», erwidert er freundlich. «Reiten macht durstig. Ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag. Guten Tag, Lady Rivers.»
    Die Tafel in der großen Halle ist mit den besten Gläsern, einem Krug Ale und Wein gedeckt. «Erwartet Ihr Gäste?», fragt er.
    Sie lächelt ihn an. «Kein Mann der Welt könnte an meiner Tochter vorbeireiten», sagt sie. «Als sie mir erzählte, sie wolle Euch ihre Sache vortragen, habe ich unser bestes Ale zapfen lassen. Ich dachte mir, dass Ihr anhalten würdet.»
    Er lacht über ihren Stolz, wendet sich um und lächelt mich an. «In der Tat, nur ein Blinder könnte an Euch vorüberreiten», sagt er.
    Ich möchte eigentlich etwas erwidern, doch da geschieht es wieder: Unsere Blicke begegnen sich, und mir will einfach nichts einfallen. Wir stehen nur da und starren einander eine ganze Weile an, bis meine Mutter ihm ein Glas reicht und leise sagt: «Auf Eure Gesundheit, Euer Gnaden.»
    Er schüttelt den Kopf, als wäre er geweckt worden. «Ist Euer Vater hier?», will er wissen.
    «Sir Richard ist zu unseren Nachbarn hinübergeritten», antworte ich. «Wir erwarten ihn zum Abendessen zurück.»
    Meine Mutter nimmt ein sauberes Glas, hält es gegen das Licht und macht «Tz, tz», als hätte sie einen Fleck entdeckt. «Entschuldigt mich bitte», sagt sie und geht. Der König und ich sind allein in der Halle, die Sonne scheint durch das große Fenster hinter dem langen Tisch, dasHaus ist still, als würden alle den Atem anhalten und lauschen.
    Er geht um den Tisch herum und setzt sich auf den Stuhl des Hausherrn. «Bitte setzt Euch», sagt er und deutet auf den Stuhl neben ihm. Ich setze mich zu seiner Rechten, als wäre ich seine Königin, und lasse mir von ihm ein Glas Dünnbier einschenken. «Ich werde mich mit Eurem Anspruch auf Euer Land befassen», sagt er. «Wollt Ihr Euer eigenes Haus? Seid Ihr nicht glücklich hier bei Eurer Mutter und Eurem Vater?»
    «Sie sind freundlich zu mir», erwidere ich. «Aber ich bin es gewohnt, meinen eigenen Haushalt zu führen und mein eigenes Land zu verwalten. Und wenn es mir nicht gelingt, die Ländereien ihres Vaters zurückzubekommen, werden meine Söhne eines Tages mit leeren Händen dastehen. Es ist ihr Erbe. Ich muss für meine Söhne eintreten.»
    «Wir haben schwere Zeiten hinter uns», sagt er. «Aber wenn ich den Thron behalte, werde ich dafür Sorge tragen, dass wieder von einer Küste Englands zur anderen ein und dasselbe Landrecht gilt und Eure Jungen ohne
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