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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose
Autoren: Philippa Gregory
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eine gute Sache, das Risiko wahrlich wert. Komm jeden Tag hierher und zieh es an Land, jeden Tag ein Stück.»
    «Was hängt daran?», frage ich sie. «Am Ende deiner Angelschnur? Welchen großen Fisch werde ich fangen?»
    Sie lächelt mich an und legt mir eine Hand an die Wange. «Das, was dein Herz begehrt», antwortet sie sanft. «Ich habe dich nicht aufgezogen, damit du als arme Witwe endest.»
    Sie dreht sich um und geht zurück über die kleine Brücke, und ich ziehe, wie sie es mir aufgetragen hat, an dem Faden, hole ihn einen Fuß ein, verknote ihn wieder und folge ihr.
    «Und wofür hast du mich aufgezogen?», frage ich sie, als wir nebeneinander zurück zum Haus gehen. «Was soll ich werden, deiner Vorstellung nach? In einer Welt, in der Krieg herrscht und in der es, trotz deiner seherischen Fähigkeiten und deiner Zauberei, scheint, als stünden wir auf der Seite der Verlierer?»
    Der Mond geht auf, eine schmale Mondsichel. Ohne ein Wort zu sprechen, wünschen wir uns beide etwas von ihm; wir machen rasch einen Knicks, und es klimpert leise, als wir die kleinen Münzen in unseren Taschen umdrehen.
    «Ich habe dich aufgezogen, damit du das Beste aus dem machst, was in dir steckt», antwortet sie schlicht. «Ich wusste nicht, was das sein würde, und ich weiß es immer noch nicht. Aber ich habe dich nicht aufgezogen, damit du eine einsame Frau wirst, die ihren Gemahl vermisst und Mühe hat, ihre Jungen großzuziehen; eine Frau, allein in einemkalten Bett, ihre Schönheit vergeudet in menschenleerer Landschaft.»
    «Amen», sage ich schlicht und blicke zu der schlanken Sichel hinauf. «Amen. Und möge der Neumond mir etwas Besseres bringen.»

    Am nächsten Tag sitze ich zur Mittagszeit in einem einfachen Kleid in meinem Privatgemach, da stürzen die Mädchen herein, um mir zu sagen, dass der König die Straße herunter auf das Haus zugeritten kommt. Ich erlaube mir nicht, zum Fenster zu laufen und nach ihm Ausschau zu halten, ich erlaube mir nicht, ins Zimmer meiner Mutter zu gehen und mich vor den Spiegel mit dem Rahmen aus getriebenem Silber zu stellen. Ich lege mein Nähzeug zur Seite und steige die breite Holztreppe hinunter, sodass ich, als die Tür aufgeht und er hereinkommt, gelassen hinabschreite und es den Anschein hat, als wäre ich gerade von meinen Haushaltspflichten weggerufen worden, um einen Überraschungsgast zu begrüßen.
    Ich trete lächelnd vor ihn, und er begrüßt mich mit einem höflichen Kuss auf die Wange. Ich spüre die Wärme seiner Haut und sehe mit halbgeschlossenen Augen, wie weich das Haar ist, das sich in seinem Nacken lockt. Sein Haar duftet leicht nach Gewürzen, und sein Nacken riecht sauber. Als er mich ansieht, erkenne ich Verlangen in seinem Gesicht. Langsam lässt er meine Hand los, und ich trete zögernd einen Schritt zurück. Ich drehe mich um und knickse, als mein Vater und meine beiden ältesten Brüder, Anthony und John, vortreten, um sich zu verbeugen.
    Das Gespräch beim Essen ist gestelzt – wie es sich gehört.Meine Familie begegnet diesem neuen König von England mit Respekt, aber es ist nicht zu leugnen, dass wir unser Leben und unser Vermögen im Kampf gegen ihn eingesetzt haben, und mein Gatte war nicht der Einzige in unserem Haus und unserer Familie, der nicht zurückgekehrt ist. Doch so muss es sein in einem Krieg, den sie Rosenkrieg genannt haben, denn Brüder kämpfen gegen Brüder, und ihre Söhne folgen ihnen in den Tod, die weiße Rose von York kämpft gegen die rote Rose von Lancaster. Meinem Vater wie auch meinen Brüdern ist verziehen worden, und jetzt bricht der Sieger Brot mit ihnen, wie um zu vergessen, dass er in Calais über sie triumphierte, wie um zu vergessen, dass mein Vater geflohen ist und im blutbefleckten Schnee in Towton vor der siegreichen Armee davongelaufen ist.
    König Edward gibt sich ungezwungen. Er ist charmant zu meiner Mutter und unterhält sich mit meinen älteren Brüdern Anthony und John und dann auch mit meinen jüngeren Brüdern Richard, Edward und Lionel, die sich später zu uns gesellen. Drei von meinen jüngeren Schwestern sind zu Hause, und sie verzehren schweigend ihr Mittagsmahl, die Augen weit aufgerissen vor Bewunderung, doch zu ängstlich, um ein Wort zu sagen. Anthonys Frau, Elizabeth, sitzt still und elegant neben meiner Mutter. Der König ist aufmerksam meinem Vater gegenüber und fragt ihn nach dem Wild und dem Land, nach dem Weizenpreis und ob es genug Arbeit gibt. Als eingemachtes Obst und Bonbons
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