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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose
Autoren: Philippa Gregory
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auf seiner Seite hat.»
    «Trotzdem wirst du nicht an den Hof gehen, sollte er nach dir schicken», sagt mein Vater. «Dieser Mann hat mit der Hälfte aller Frauen in London das Bett geteilt, und jetzt sind die Lancastrianerinnen dran. Er ist kein heiliger Mann wie der gesegnete König Henry.»
    Und auch nicht schwachsinnig wie der gesegnete König Henry, denke ich, doch laut sage ich: «Selbstverständlich, Vater, wie du befiehlst.»
    Er bedenkt mich mit einem scharfen Blick; so viel bereitwilliger Gehorsam erweckt sein Misstrauen. «Du glaubst nicht, dass du ihm deine Gunst schuldig bist? Dein Lächeln? Schlimmeres noch?»
    Ich zucke erneut die Achseln. «Ich habe ihn als König um Gerechtigkeit gebeten, nicht um seine Gunst», sage ich. «Ich bin kein Diener, dessen Dienste erkauft werden können, und auch kein Bauer, den man in den Lehnsdienst zwingen kann. Ich bin eine Dame aus gutem Hause. Ich habe meine eigenen Loyalitäten und Verpflichtungen, die ich achte und ehre. Es sind nicht die seinen. Ich tanze keinem Mann nach der Pfeife.»
    Meine Mutter senkt den Kopf, um ihr Lächeln zu verbergen. Sie ist eine Tochter aus dem Hause Burgund, Nachfahrin von Melusine, der Wassergöttin. Sie hat sich ihr Leben lang zu nichts verpflichtet gefühlt, und sie findet auch nicht, dass ihre Tochter zu irgendetwas verpflichtet ist.
    Mein Vater blickt von ihr zu mir und zuckt die Achseln, wie um einzuräumen, dass eigenwilligen Frauen eine unverbesserliche Unabhängigkeit eigen ist. Er nickt meinem Bruder John zu und sagt: «Ich reite nach Old Stratford Village. Begleitest du mich?» Die beiden verlassen uns.
    «Möchtest du an den Hof gehen? Bewunderst du ihn? Trotz allem?», fragt Anthony mich leise, als meine anderen Brüder sich nach und nach entfernt haben.
    «Er ist der König von England», sage ich. «Natürlich gehe ich, wenn er mich einlädt. Was denn sonst?»
    «Vielleicht weil Vater gerade gesagt hat, du sollst nicht gehen und ich dir auch davon abgeraten habe.»
    Ich nicke. «Das habe ich gehört.»
    «Wie will eine arme Witwe in dieser niederträchtigen Welt sonst ihren Weg machen?», neckt er mich.
    «Genau.»
    «Du wärst eine Närrin, wenn du dich so billig verkaufen würdest», ermahnt er mich.
    Ich werfe ihm unter meinen Wimpern einen Blick zu. «Ich habe nicht die Absicht, mich zu verkaufen», widerspreche ich. «Ich bin kein hübsches Band und keine Hammelkeule. Ich werde nicht auf dem Marktplatz feilgeboten.»

    Bei Sonnenuntergang warte ich unter der Eiche auf ihn, verborgen im Schatten. Ich bin erleichtert, als ich höre, dass sich auf der Straße nur ein Pferd nähert. Wäre er in Begleitung einer Wache gekommen, wäre ich, um meine Sicherheit bangend, still und leise wieder nach Hause geeilt. Wie zärtlich er auch in den Grenzen des väterlichen Gartens sein mag, ich vergesse nicht, dass er der sogenannteKönig der yorkistischen Armee ist, für die es eine Selbstverständlichkeit ist, Männer zu morden und deren Frauen zu vergewaltigen. Er wird sich abgehärtet haben, um Dinge mit ansehen zu können, deren Zeuge niemand werden sollte; er wird selbst Dinge getan haben, die tiefschwarze Sünden sind. Ich kann ihm nicht vertrauen. Wie überwältigend sein Lächeln und wie ehrlich sein Blick auch sein mag, wie sehr ich ihn auch als Jungen betrachte, der von seinem Ehrgeiz zu Größerem angetrieben wird, ich kann ihm nicht vertrauen. Wir leben nicht in ritterlichen Zeiten; dies ist nicht die Zeit der Ritter im dunklen Wald und der schönen Frauen in mondbeschienenen Quellen, nicht die Zeit der Liebesschwüre, die zu Balladen werden, auf ewiglich gesungen.
    Doch als er sein Pferd zum Stehen bringt und in einer einzigen fließenden Bewegung absitzt, sieht er aus wie ein Ritter in einem dunklen Wald. «Ihr seid gekommen!», sagt er.
    «Ich kann nicht lange bleiben.»
    «Ich bin überglücklich, dass Ihr überhaupt gekommen seid.» Er lacht über sich selbst, fast ein wenig verwirrt. «Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich immer an Euch denken musste, und den ganzen Tag habe ich mich gefragt, ob Ihr überhaupt kommen werdet. Und siehe da, Ihr seid gekommen!»
    Er schlingt die Zügel seines Pferds um einen Ast und legt die Hand um meine Taille. «Schöne Frau», flüstert er mir ins Ohr. «Seid nett zu mir. Würdet Ihr Euren Kopfschmuck abnehmen und Euer Haar herablassen?»
    Ich hätte im Leben nicht erwartet, dass er das von mir verlangt, und ich bin so schockiert, dass ich augenblicklich gehorche
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