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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose
Autoren: Philippa Gregory
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Diesen Mann werden die Menschen auf den ersten Blick lieben. Seine Augen sind unverwandt auf mein Gesicht gerichtet, als würde ich ein Geheimnis kennen, das er ergründen möchte, als würden wir einander schon immer kennen, und ich spüre, dass meine Wangen glühen, doch ich kann den Blick nicht von ihm wenden.
    In dieser Welt senkt eine sittsame Frau den Blick und richtet ihn auf ihre Schuhe; eine Bittstellerin verbeugt sich tief und streckt flehend die Hand aus. Doch ich stehe hoch aufgerichtet da und bin gleichzeitig entsetzt über mein Betragen, denn ich starre ihn an wie eine ungebildete Bäuerin. Und doch kann ich die Augen nicht von ihm wenden, von seinem lächelnden Mund, seinem Blick, der auf meinem Gesicht brennt.
    «Wer seid Ihr?», fragt er, während er mich immer noch ansieht.
    «Euer Gnaden, dies ist meine Mutter, Lady Elizabeth Grey», sagt mein Sohn Thomas höflich, zieht seine Mütze und sinkt auf ein Knie.
    Richard an meiner anderen Seite kniet ebenfalls nieder und murmelt: «Ist das der König? Ehrlich? So einen großen Mann habe ich noch nie gesehen!»
    Ich sinke in einen Knicks, doch den Blick kann ich immernoch nicht von ihm wenden. Ich schaue vielmehr zu ihm auf, so wie eine Frau mit brennenden Augen einen Mann anstarrt, den sie anbetet.
    «Erhebt Euch», sagt er mit leiser Stimme, sodass nur ich ihn hören kann. «Seid Ihr gekommen, um mich zu sehen?»
    «Ich brauche Eure Hilfe», sage ich. Die Worte wollen mir nur schwer über die Lippen. Ich komme mir vor, als hätte der Liebestrank, in den meine Mutter den Schleier getaucht hat, der sich an meinem Hennin bauscht,
mich
betäubt und nicht ihn. «Ich bekomme mein Eigentum, meine Mitgiftgüter, nicht zurück, jetzt, da ich Witwe bin.» Ich stammele angesichts seiner lächelnden Aufmerksamkeit. «Ich bin Witwe und habe kein Einkommen.»
    «Witwe?»
    «Mein Gemahl war Sir John Grey. Er ist in der Schlacht von St.   Albans gefallen», erkläre ich. Ich sage es, um seinen Verrat und die Verdammnis meiner Söhne zu gestehen. Der König wird den Namen des Kommandanten der feindlichen Kavallerie kennen. Ich beiße mir auf die Lippe. «Ihr Vater hat getan, was er für seine Pflicht hielt, Euer Gnaden; er war dem Mann treu, den er für den rechtmäßigen König hielt. Meine Jungen haben keine Schuld daran.»
    «Er hat Euch diese beiden Söhne hinterlassen?» Lächelnd blickt er auf meine Jungen.
    «Das Kostbarste, was ich besitze», antworte ich. «Dies ist Richard und dies Thomas Grey.»
    Er nickt meinen Jungen zu, die zu ihm aufblicken, als wäre er ein hochgezüchtetes Pferd, zu groß zum Streicheln, doch ein Objekt ehrfürchtiger Bewunderung, und dann sieht er mich wieder an. «Ich bin durstig», sagt er. «Ist Euer Haus hier in der Nähe?»
    «Es wäre uns eine Ehre   …» Ich blicke zu seiner Leibgardehinüber. Es sind sicher mehr als hundert Mann. Er lacht in sich hinein und bestimmt dann: «Sie können weiterreiten. Hastings!» Der ältere Mann wendet sich um und wartet. «Ihr reitet weiter nach Grafton. Smollet und Forbes können bei mir bleiben. Ich komme in einer Stunde nach.»
    Sir William Hastings mustert mich von oben bis unten, als wäre ich ein hübsches Seidenband, das zum Verkauf steht. Ich erwidere seine Musterung mit eisernem Blick, und schließlich nimmt er seine Kappe ab und verbeugt sich vor mir, salutiert dem König und befiehlt der Leibgarde aufzusitzen.
    «Wohin geht Ihr?», fragt er den König.
    Der junge König sieht mich an.
    «Wir gehen zum Haus meines Vaters, Baron Rivers, Sir Richard Woodville», erkläre ich stolz, obwohl ich weiß, dass der König den Namen eines Mannes erkennen wird, der hoch in der Gunst des Hauses Lancaster stand, der für Lancester in die Schlacht zog und einmal harte Worte von ihm persönlich zu hören bekam, als York und Lancaster gegeneinander kämpften. Wir kennen einander alle ziemlich gut, doch es gilt als allgemeine Höflichkeit, zu vergessen, dass wir einst alle Henry   VI. treu waren – bis die Yorkisten zu Verrätern wurden.
    Sir William Hastings zieht die Augenbrauen hoch, als er hört, wo der König rasten will. «Dann werdet Ihr Euch zweifellos nicht besonders lange aufhalten wollen», sagt er unfreundlich und reitet weiter. Die Erde bebt, als die Reiter vorüberziehen, und sie lassen uns in stiller Wärme zurück, in der sich der Staub legt.
    «Meinem Vater wurde vergeben, und er hat seinen Titel zurückerhalten», sage ich rechtfertigend. «Ihr selbst habt ihm nach der Schlacht
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