Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen
Autoren: Susan Hill
Vom Netzwerk:
ursprünglich vorgesehenen sechs Monate um weitere drei verlängert hatte. Er war es, der nur ungern wieder zurückgekehrt war. »Aber wir haben nach unserer Rückkehr festgestellt, dass die Rolle des praktischen Arztes endlich mehr Anerkennung findet.«
    »Du meinst, das doppelte Geld für die halbe Arbeit. Keine Rufbereitschaft, keine Wochenenddienste. Klingt gut – ich verstehe, was du meinst.«
    Cat stöhnte. »Si, das ist ein heikles Thema. Wir haben uns so oft darüber gestritten, dass wir übereingekommen sind: Chris und ich diskutieren nicht über den neuen Vertrag für Hausärzte.«
    Cat war schon immer strikt gegen Agenturen gewesen, die den Nacht- und Wochenenddienst für die Praxis übernahmen, statt einen Vertreter zu bestimmen, der ihr und Chris hin und wieder eine Ruhepause verschaffen würde. Als sie zurückkam, war sie bereit gewesen, um ihr Recht zu kämpfen, ihre Patienten auch außerhalb der Sprechstunde zu besuchen, hatte jedoch feststellen müssen, dass nicht nur Chris dagegen war, diese Arbeit wieder innerbetrieblich zu regeln, sondern auch jeder andere Allgemeinmediziner der Region. Sie konnte unmöglich die Überstunden allein bewältigen und hatte daher, wenn auch widerwillig, eine Niederlage einstecken müssen.
    »Vorläufig«, hatte sie vor sich hin gemurmelt. »Aber ich werde einen Weg finden. Ich mag meine Patienten nicht auf Gedeih und Verderb einem anderen Arzt überlassen, der für teures Geld von auswärts eingeflogen wird, um hier ein paar Nächte abzudecken, oder, noch schlimmer, jemandem in Rufbereitschaft, der erst fünfzig Kilometer hierherfahren muss. Das ist nicht ungefährlich, es ist nicht richtig, außerdem überfordert es die Ambulanzen und die Notaufnahme und ist dem Wohl der Patienten und ihrem Seelenfrieden nicht förderlich.«
    Doch die Auseinandersetzungen darüber waren zu scharf geworden.
    Deshalb hatte sie sich mit Chris geeinigt, die Arbeit wieder aufzunehmen und sich mit dem Status quo abzufinden. Sie würden sich wieder mit Patienten, dem Personal und der Routine einer ausgelasteten Praxis vertraut machen.
    »Hast du Dad oft getroffen?«, fragte Cat.
    Simon verzog das Gesicht. »Bin zweimal zum Mittagessen mit ihm ins Pub gegangen. Hab mal bei ihm reingeschaut, aber er war oft nicht da. Ich bin jetzt nicht mehr gern in Hallam House.«
    »Das weiß ich, aber ohne uns und ohne Mum hat er dich doch viel mehr gebraucht.«
    »Davon hat er sich nichts anmerken lassen. An Marthas Todestag habe ich Blumen an ihr Grab gebracht. Ich habe Dad angerufen – dachte, wir könnten uns verabreden. Er war nicht da. Er hat es nie erwähnt. Ich glaube nicht, dass er nach Marthas Tod jemals an sie gedacht hat. Oder an Mutter, wenn ich es recht bedenke.«
    »Das ist nicht fair, Simon.«
    »Ach ja?«
    Simon hatte Martha, ihrer behinderten Schwester, sehr nahegestanden, wie auch Meriel, ihrer Mutter. Die beiden Todesfälle hatten ihm Schläge versetzt, von denen er sich noch nicht erholt hatte. Wahrscheinlich würde er nie darüber hinwegkommen.
    Für Cat war es leichter. Sie hatte Chris, sie hatte drei Kinder, und sie war nach Australien entkommen.
    Entkommen? Er betrachtete seine Schwester, in den durchgesessenen Küchenlehnstuhl gekuschelt, die Beine unter sich, ein Glas Wein in der Hand. Sie sah gut aus. Doch von Entkommen zu reden war in ihrem Fall falsch. Er wusste, wenn Chris nicht so gedrängt hätte, wäre sie nie aus Lafferton weggegangen. Cat war wie er, fest verwurzelt. Allem Anschein nach war sie vollkommen glücklich und zufrieden, wieder in ihrem Bauernhaus zu sein.
    Simon schloss die Augen und streichelte Mephisto, bis das Schnurren des Katers wie das Surren eines Motors klang. Ihm wurde bewusst, wie unglücklich seine Monate ohne das Refugium dieses Hauses und dieser Familie tatsächlich gewesen waren.
    Er stieß einen tiefen Seufzer der Zufriedenheit aus.

[home]
    Vier
    S ie hatte keine Zeit, sich umzusehen und alles in sich aufzunehmen – die Menschen an den Tischen und an der Bar –, denn sobald sie eintrat, war er da und fragte: »Helen? Ja, natürlich sind Sie Helen. Kommen Sie, lassen Sie uns gleich wieder gehen, es ist gerammelt voll, die Idee war wirklich nicht gut.«
    Schon nahm er sie beim Ellbogen und führte sie durch die Tür. Draußen empfing sie ein warmer Septemberabend. Dunkel. Das
Old Ship
war mit Lichterketten behängt.
     
    Zehn Tage hatte es gedauert. Sie hatte ihm ihre Kontaktdaten übermittelt, seine erhalten, ihm eine Nachricht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher