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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen
Autoren: Susan Hill
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verlegen. Wie hätte sie sagen sollen: Ja, und mein Sohn sitzt zu Hause und wartet auf einen Anruf, dass er kommen und mich retten soll? »Warum fragen Sie?«
    Er lachte, wirkte nun auch verlegen und ging, um den Tee zu bestellen.
    Der Gasthof leerte sich, bevor sie die Unterhaltung über ihre Familien beendet hatten – dass ihr Sohn Tom zu den Teenagern gehörte, die ihre liebe Not hatten, ihrem Leben einen Sinn und eine geistige Dimension zu verleihen, und dass sie sich Sorgen machte, da die meisten seiner Freunde so eigenartig waren; dass Phils älterer Sohn Hugh ein Jahr als Lehrer in Afrika verbrachte und der jüngere, auch ein Tom, eine Schauspielschule besuchte – gegen den Rat seines Vaters. »Aber ich werde ihn trotzdem unterstützen. Das geht gar nicht anders. Man muss schon viel kompensieren, finden Sie nicht? Die große Lücke in ihrem Leben ausgleichen.« Seine Frau war bei einem entsetzlichen Stromunfall in den eigenen vier Wänden ums Leben gekommen. Er hatte es auf eine sachliche Art dargestellt, die weiteres Nachforschen untersagte.
    »Es ist ziemlich spät«, sagte Helen.
    »Ich weiß, aber wir sind erwachsen. Keiner zieht uns die Ohren lang.«
    »O doch!«
    Er hielt ihr die Wagentür auf. Ich habe Spaß an der Sache, dachte sie wieder. So gut ging es mir schon viel zu lange nicht mehr.
    An ihrem Wagen auf dem inzwischen leeren Parkplatz vor dem
Old Ship
sagte er: »Danke, Helen. Ich rufe Sie an, wenn ich darf.«
    Als sie in die Straße einbog, um nach Hause zu fahren, blickte sie in den Rückspiegel und sah, dass er noch dastand und ihr nachschaute.

[home]
    Fünf
    M elanie Drew war glücklich. Es war sehr ruhig, sehr friedlich, und die Herbstsonne fiel durch das Fenster auf den Tisch, an dem sie mit einem Packen Danksagungen saß. Zwei hatte sie bereits geschrieben und sich ausgerechnet, dass sie noch zweiundvierzig vor sich hatte.
    Am Tag zuvor war ein Lieferwagen von der Firma
everythingwedding.com
eingetroffen, bei der sie ihre Wunschliste hinterlegt hatten, und zwei Männer hatten an die vierzig Minuten gebraucht, um alle Pakete und Kartons auszuladen und die beiden Treppen in die Wohnung hinaufzutragen. Allerdings war die Stimmung sehr gut gewesen, und nachdem alles erledigt war, hatte Melanie Tee gekocht und ihnen jeweils ein Stück Hochzeitskuchen angeboten, und sie hatten ihr mit den neuen blauen Sternchenbechern zugeprostet.
    Sie nahm einen Briefumschlag und beschriftete ihn – doch nicht mit der Adresse der Tante, die ihnen hundert Pfund geschickt hatte.
    Sie schrieb:
    Melanie Drew
    Melanie Drew
    Melanie Drew
    Mr. und Mrs.Craig Drew
    Mrs.Craig Drew
    Craig und Melanie Drew.
    Craig und …
    Die reine Verschwendung eines Briefumschlags! Doch sie saß in der Sonne, betrachtete ihre Schrift und konnte nicht aufhören zu lächeln. Seit der Hochzeit vor zwei Wochen konnte sie damit nicht aufhören.
    Jetzt waren die Flitterwochen allerdings vorbei, Craig hatte gestern wieder seine Arbeit beim Immobilienmakler aufgenommen, sie hatte noch zwei Tage frei, doch dann würde sie sich auf den Weg zum Empfangstresen bei Price and Fairbrother machen. Heute Abend hatten sie noch weitere Hochzeitsgeschenke auszupacken. Die Wohnung erschien ihr plötzlich sehr klein. Im Gästezimmer wollte Craig Sachen wie seine Gummistiefel und die wasserdichten Jacken und Fäustlinge verstauen. Im Moment war es so voll mit Kartons, dass die Tür sich kaum noch öffnen ließ. Dann war noch ein ganzer Berg Packpapier, Seidenpapier und Pappe zu entsorgen. Craig war versessen auf Wiederverwertung und wild entschlossen, den umweltfreundlichsten Weg der Entsorgung herauszufinden; Melanie hatte vorgeschlagen, draußen ein Feuer zu machen.
    »Weißt du, was du da sagst, Mel? Offenes Feuer? Man darf kein offenes Feuer machen. Es erhöht den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre.«
    »Ach so. Stimmt.«
    »Du solltest dir mehr Gedanken machen.«
    »Ich mache mir Gedanken darüber, wie ich mein Gästezimmer zurückbekomme, mehr nicht.«
    Allerdings war es kein Streit gewesen. Sie zankten sich nie. Sie waren sich einig, dass sie unterschiedlich waren.
    Sie lächelte und schrieb dreimal
Mrs.Melanie Anita Drew
auf den Umschlag.
    Die Sonne war warm und hell. Die Wohnung ging nach Westen, daher würde es so sein, wenn sie von der Arbeit kamen, und für einen Großteil des Abends, den ganzen Frühling und Sommer über. Sie hatten Glück gehabt, die Wohnung zu bekommen, noch dazu für den Preis, obwohl sie in den letzten sechs
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