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Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Birgit Erwin
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I
    Der Falke zog über den Baumwipfeln enge Kreise. Ab und zu sorgte er mit leichtem Flügelschlag für Auftrieb, um den Wind zu nutzen, der ihn der Sonne entgegentrug. Einen wunderbaren Augenblick lang kam es der einsamen Beobachterin so vor, als sei dieser Falke das einzige Lebewesen vor dem reinen Blau des Spätsommerhimmels. Erst als der Raubvogel seine Flügel anlegte und im Sturzflug niederschoss, entdeckte Wendelgard den silbergrauen Reiher, der im Schatten der Baumkronen dem Verfolger zu entkommen versuchte.
    »Er wird es nicht schaffen«, schoss es ihr durch den Kopf.
    Im nächsten Moment mischte sich der Schrei der Beute mit dem Kreischen des Falken, und beide Vögel verschwanden zwischen den Bäumen.
    Wendelgard ließ den Atem entweichen. Sie drehte sich um und erstarrte in der Bewegung. Ein Mann stand in der Tür und beobachtete sie mit verschränkten Armen. Sein Haar, silbergrau wie das Gefieder des Reihers, war vom Wind zerzaust. Bei seinem Blick wurde ihr warm. Sie streckte die Hand aus und lächelte. »Solltest du nicht schon längst bei der Jagdgesellschaft sein?«
    »Schickst du mich fort?«
    Statt einer Antwort warf sie die Arme um seinen Hals und presste sich an ihn. Sein Körper war hart und knochig und erinnerte sie an die langen Jahre der Einsamkeit. Am liebsten wäre sie unter seine Haut gekrochen, nur um sicher zu sein, dass er sie nie wieder verließ. Sie spürte seine Hände in ihrem Haar und hob das Gesicht. Ihre Lippen berührten sich.
    Sein Mund wanderte weiter zu ihrem Ohr. »Ich bin ein glücklicher Mann«, raunte er. »Ich …«
    »Ähm … Herr …«
    Udalrich und Wendelgard fuhren auseinander. Der Graf von Buchhorn bedachte den jungen Mann, der verlegen zu ihnen hinübersah, mit einem finsteren Blick. »Was?«
    »Mein Herr hat nach Euch gefragt …«
    »Ich komme ja schon!« Udalrich wandte sich wieder seiner Frau zu, und sein Gesicht wurde weich. »Ich bin bald zurück, mein Liebes. Wünsch mir Glück für die Jagd.«
    Wendelgard nickte halbherzig. »Ich wünschte, du müsstest nicht fort«, sagte sie und berührte sein ergrautes Haar. »Versprich mir wenigstens, dass du vorsichtig bist. Überlass alles meinem Oheim, was größer ist als …«
    »Ein Kaninchen?« Udalrich lachte. »Keine Angst, ich werde einem begeisterten Waidmann nicht in die Quere kommen, vor allem dann nicht, wenn dieser Waidmann der König ist. Ich weiß, wem der größte Bock gebührt. Ruh du dich in der Zwischenzeit aus. Du weißt, dass du dich schonen sollst.« Er umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und betrachtete es liebevoll.
    »Herr, verzeiht, aber …«
    »Geh, ehe der König ärgerlich wird«, flüsterte Wendelgard und wich seinem Kuss aus.
    Udalrich ließ mit einem Stirnrunzeln die Hände sinken. »Bring mir mein Pferd«, befahl er dem Diener und nickte zu dem Hengst hinüber, der in einiger Entfernung an einen Baum gebunden war. »Beeilung, Junge!«
    Der Diener rannte davon; wenig später reichte er Udalrich die Zügel des hochbeinigen Braunen. Während der Graf sich in den Sattel schwang, starrte der Junge ihn mit schlecht verhohlener Neugier an. Udalrich seufzte. Er konnte nur vermuten, welche abenteuerlichen Geschichten über ihn und seine Zeit in der Gefangenschaft erzählt wurden. Einen Augenblick lang war er versucht, den Jungen mit der ganzen schmutzigen Erbärmlichkeit der Wahrheit zu konfrontieren. Er öffnete den Mund, aber als er in die großen blauen Augen sah, die staunend auf ihn gerichtet waren, überlegte er es sich anders. Er nickte dem Jungen nur zu und überließ es ihm, den Weg durch den dichter werdenden Wald zu finden.
    Udalrich war froh, als das Auftauchen der Jagdgesellschaft seine Gedanken in eine andere Richtung lenkte. Er suchte den König und entdeckte ihn inmitten einer Schar Edelleute. Sogar auf die Entfernung stach seine hochgewachsene Gestalt deutlich aus der Menge heraus. Die Ungeduld seiner Bewegungen erinnerte Udalrich an die Bluthunde, die am Rand des Lagers an ihren Leinen zerrten. Er stieg vom Pferd und versuchte, den dumpfen Schmerz zu ignorieren, der ihm jäh in die Knochen fuhr.
    Gleichzeitig hob Heinrich den Kopf und sah in seine Richtung. »Gott zum Gruß, Graf Udalrich. Wir haben Euch schon erwartet! Meine Jäger haben eine Hirschfährte gefunden. Ich hoffe, das Wild ist nicht so schwer aufzustöbern wie Ihr. Man munkelt, Ihr habt andere Jagdgründe gefunden?«
    Einige der jüngeren Edelleute, die den König umringten, grinsten
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