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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet
Autoren: Jean G. Goodhind
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Eins
    Der Löffel des Baggers hatte gefährlich aussehende Spitzen, die mit schrecklichem Knirschen in die Betonplatte über der Senkgrube eindrangen. Zuerst sah man nur ein feines Netz von Rissen, Zement, der wie Knochen zerbarst. Die Platte war etwa fünfzehn Zentimeter dick, und allmählich kam die Metallarmierung zutage, die sie zusammenhielt.
    Die Senkgrube wurde nicht mehr benutzt, seit die Toiletten bei der Kirche von St. Luke im Dörfchen Much Maryleigh fließendes Wasser hatten und an die Hauptkanalisation angeschlossen waren. Die Grube lag jenseits der Friedhofsmauer auf einem Feld, in der nötigen Entfernung von den Gräbern der Dorfbewohner aus Vergangenheit und Gegenwart. Das Feld selbst war kein Acker mehr, sondern inzwischen eine umweltfreundliche Begräbnisstätte. Hier gab es keine Grabsteine, sondern nur junge Bäume, die aus den Gräbern der kürzlich Verstorbenen sprossen. Bald würde hier ein Wäldchen gewachsen sein.
    Zwei Männer führten die Arbeiten durch. Der eine fuhr den Bagger, der andere schaute zu. Der Letztere, der ältere von beiden, schaute auf und sah einen Mann, den er als Peter Pierce erkannte, auf sich zukommen. Seine Oberlippe verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen. Pierce war einer der jüngst Zugezogenen im Dorf. Er kam, mit den Armen wedelnd, über das Feld gelaufen.
    Der ältere Mann blickte nun außerordentlich grimmig, wies seinen jüngeren Gefährten mit einer Geste an, den Bagger auszuschalten, und wandte sich ihrem Nachbarn zu.
    »Das können Sie nicht machen!«, rief Pierce, nachdem erheftig schnaufend, mit hochrotem Kopf und weit offenen Mund stehen geblieben war. »Das ist mein Land. Es steht in meiner Grundbuchurkunde«, schrie er keuchend. »Mein Rechtsanwalt hat Ihnen deswegen schon geschrieben.«
    Ned Shaw bemühte sich nicht einmal, freundlich zu schauen. Pierce bluffte nur. Wenn einer wie er mit irgendwas nicht einverstanden war, ließ er gleich seinen Rechtsanwalt einen Brief verfassen, griff zu Unterlassungsklagen und wer weiß was noch, nur um zu verhindern, dass es mit einer Unternehmung voranging.
    »Das war mein Feld, Pierce. Lange, ehe Sie hierhergekommen sind, war es meines.«
    »Es war Gemeindeland«, erwiderte Pierce. »Alle haben es genutzt.«
    »Und Sie auch«, antwortete Ned mit mürrischer Miene. »Damit hatte ich kein Problem, solange wir das Land nicht gebraucht haben. Aber jetzt ist es verkauft.«
    »Aber es ist von historischer Bedeutung«, platzte Pierce heraus.
    Neds Züge verhärteten sich. »Kompletter Schwachsinn!«
    Seine Familie lebte seit vielen Generationen im Dorf. Er machte kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen Zugezogene wie Peter Pierce. Ihnen gab er die Schuld für seine veränderten Trinkgewohnheiten. Früher war er ein treuer Stammgast im Poacher gewesen, aber diese Kneipe war nun schrecklich schickimicki geworden, nichts als überteuerter Edelfraß und indirekte Beleuchtung.
    Jetzt trank er sein Bier öfter im Rose and Crown, einem traditionelleren Gasthaus, wo noch Darts gespielt wurde und die Höchstleistung der Küche ein Steak mit Pommes frites war.
    Auf seine Schaufel gelehnt, sprach Ned in sachlichem Ton mit Pierce. »Wenn Sie nicht vor der Zeit beerdigt werdenwollen, sollten Sie machen, dass Sie hier wegkommen. Das Land ist verkauft, Sie können es nicht mehr nutzen. Und ganz gleich, wie sehr Sie sich bemühen, dieses Land stand immer schon in meiner Grundbuchurkunde. Es ist kein Gemeindeland. Es ist meines, und ich kann damit machen, was ich will.«
    Peter Pierce hatte zu seinem großen Unglück einen schönen rosa Kussmund. Nun schmollte er wie ein junges Mädchen.
    »Die Leute von der Universität haben gesagt, es könnten hier wichtige Artefakte vergraben liegen ...«
    Ned Shaw grinste höhnisch. »Die haben schon vor Jahren Ausgrabungen gemacht und rein gar nichts gefunden.«
    »Trotzdem könnte doch ...«
    »Schwachsinn! Hier sind jetzt nur noch Leichen.«
    Peter Pierce sah aus, als könnte er jeden Augenblick platzen.
    »Sie hatten nicht das Recht, das Land an diese Leute zu verkaufen, an diese ... Hippies!«, brüllte er. Er warf dem Fahrer des Baggers aus funkelnden Augen einen grimmigen Blick zu, blies seine Wangen auf wie einen rosa Blasebalg.
    Ned Shaw wich keinen Fußbreit zurück, hatte die Hemdsärmel aufgerollt und zeigte kampfbereit seine muskulösen, haarigen Arme.
    Der Hippie-Kommentar war offensichtlich gegen den Baggerfahrer gerichtet, einen der Leute, die das Land von Ned erworben
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