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2574 - Das Lied der Vatrox

2574 - Das Lied der Vatrox

Titel: 2574 - Das Lied der Vatrox
Autoren: Susan Schwartz
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1.
    Fünf Tage vor L.O.T.
     
    So hört denn meine Geschichte, die so lange währt wie die Geschichte unseres

Volkes seit dem Zeitpunkt, als die Wende kam, als das Volk den Scheideweg erreichte und den Pfad

zur Vollkommenheit beschritt. Wir bezeichnen es heute als das Zeitalter der Ersten

Hyperdepression, und zehntausend Jahre nach seinem Beginn kam der Moment, der als neuer Anfang

initialisiert wurde. Hört, was ich euch zu sagen habe, damit ihr verstehen lernt, wie alles

begann und was daraus wurde. Alle Fragen will ich euch beantworten. Hört zu in Ehrfurcht und

lernt, was ich euch zu sagen habe.
    Es wird euch nicht gefallen.
    *
    »Wer kann mir etwas über unser System erzählen?«, fragte Lucba Ovichats Holo- Simulation in

die Runde. Dreizehn Kinder waren dem Verbund angeschlossen. Der materielle Körper jedes Kindes

befand sich dabei in seinem Zuhause, während das exakte Abbild seiner Gestalt, gesteuert von

seinem Bewusstsein, in einem holografischen Raum zusammen mit den Mitschülern der Indoktrinatorin

lauschte.
    Sie standen oder saßen, wie es ihnen beliebte, und hatten lediglich das simulierte Eingabefeld

vor sich. Der Raum selbst hatte keine Einrichtung, keine Bezugspunkte, abgesehen von den

umherwabernden Farbstimulationen, die sich positiv auf Kreativität und Aufnahmefähigkeit

auswirken sollten.
    Acht Kinder waren männlichen, fünf weiblichen Geschlechts, zu unterscheiden waren sie in

diesem Alter nur durch die Farbe der Kleidung: Die Mädchen waren von Bunt umhüllt, die Knaben

trugen ein blasses Grün.
    Sie waren alle klein und dünn, kaum mehr als ein junger Halm, das Pigasoshaar gerade so lang

wie ein mittleres Fingerglied. Ein überflüssiges Relikt. Die Zeit, als die Vorfahren damit noch

etwas fühlen konnten, war schon sehr lange vergangen. Niemand konnte mehr sagen, ob es ein

Verlust war.
    »Nun?«, hakte die Indoktrinatorin nach. »Habt ihr vergessen, was ich euch erst gestern

lehrte?«
    Die Stimmausgabe modulierte so originalgetreu wie möglich. »Ich weiß es«, erklang eine

piepsige Stimme, und ein Mädchen bearbeitete eifrig die Eingabe, während sein virtueller Mund

sich bewegte. »Das Zentrum des Vat-Systems wird beherrscht von Vatar, die uns das Leben

schenkt.«
    »Unsere Augen sind ihr Auge!«, warf ein Junge lebhaft ein. »Wir sind Kinder der Sonne!«
    »Und der Nacht«, fügte ein anderer Junge hinzu. »Denn so finster ist unsere Haut.«
    »Und das macht uns zu den Herrschern über Tag und Nacht und alles andere«, ergänzte der dritte

Knabe, und alle acht beglückwünschten einander gegenseitig dazu.
    »Das ist wahr«, sagte Lucba zufrieden, denn die Kleinen hatten ihr tatsächlich einmal

zugehört. So jung waren sie noch begeisterungsfähig. Die Älteren interessierten sich kaum für die

Vergangenheit; und doch, davon war die ausgebildete Historikerin überzeugt, lag genau darin der

Schlüssel zur Zukunft.
    Usgan Faahr hatte zu dieser Meinung spöttisch bemerkt, dass sie das nur als Ausrede benutzte,

um sich für ihren wenig angesehenen Beruf nicht schämen zu müssen. »Du hättest so viele

Möglichkeiten gehabt, wieso tust du dir das an?«
    »Weil es keine Ausrede ist«, hatte sie erwidert und hartnäckig an ihrem großen Plan

festgehalten.
    Das kleine Mädchen fuhr fort: »Unser System weist insgesamt neun Planeten auf: Jas, Nag, Vat,

Her, Tak, Wiv, Fog, Pem und Lax.«
    »Das sagen die Frauen, die allen Dingen immer so viele Namen geben müssen«, spottete ein

Junge. »Vatar I bis Vatar IX ist ja wohl völlig ausreichend als Bezeichnung.«
    »Dann reicht für euch Männer auch eine einzige Bezeichnung«, warf ein Mädchen angriffslustig

ein. »Wozu braucht ihr zwei Namen? Einer genügt vollkommen!«
    Sofort erhielt es Unterstützung: »Das ist doch immer noch zu frauenbezogen. Mann 0 bis

0000000000 wäre die zutreffendste Definition!«
    Die Mädchen lachten, die Jungen waren wütend, und Lucba sah sich genötigt einzugreifen, bevor

es zum Eklat kam. Diese Kinder waren sich der gesellschaftlichen Situation bereits voll bewusst.

Von Geburt an wurden sie in alles involviert und waren gesegnet mit einer schnellen

Auffassungsgabe. Der Geist entwickelte sich viel schneller als der kindliche Körper.
    »Ruhe!«, befahl Lucba streng. »Wir sprechen von unserem System, nicht von unserem Volk.«
    »Aber das hängt doch zusammen«, protestierte der Spötter von vorhin. »Das System ist nichts

ohne uns.«
    Und wir
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