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2574 - Das Lied der Vatrox

2574 - Das Lied der Vatrox

Titel: 2574 - Das Lied der Vatrox
Autoren: Susan Schwartz
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sein, die sich in der Hauptstadt drängten, dennoch kam keine Unruhe auf.

Im Gegenteil, es herrschte eine gelassene, geradezu heitere Stimmung. Geduldig warteten die

Frauen an den Ständen auf die Ausgabe von Essen und Trinken und ließen sich derweil von

traditioneller Musik beschallen, die sie auf den Großkreis am Abend einstimmen sollte.
    Die meisten Frauen machten ihr Platz, als Lucba die Straße entlangeilte, denn kein Gast war so

prächtig wie sie gekleidet, das war den Offiziellen vorbehalten. Sicher waren viele neugierig,

doch die Höflichkeit verbot ihnen, Lucba anzusprechen.
    Usgan Faahrs Worte zum Abschied aus der Ferne klangen noch in ihren Ohren: »Das ist dein Tag,

Lucba. Auf den du dein erwachsenes Leben lang gewartet hast,für den du so viele Entbehrungen auf

dich genommen hast. Begeh ihn mit dem gebührenden Respekt. Und ich ehre dich, heute, an dem Tag,

der nur der deine ist.«
    »Du hast mich immer geehrt, Usgan, ich danke dir.«
    »Nun, ich kann nicht bei dir sein. Dies musst du allein bewältigen. Doch du sollst wissen,

dass ich an dich denke, auch wenn du meine Gedanken nicht hören kannst. Und ich nicht die deinen,

was ich manchmal bedauert habe.«
    »Lass uns später weiterreden«, hatte Lucba abgewehrt. »Nach dem Großkreis heute Abend wird

alles anders sein. Und dann ... habe ich endlich mehr Zeit für dich.«
    »Es war immer Zeit genug«, hatte er gesagt. »So viel, wie es brauchte.«
    Meine Inspiration, dachte Lucba, während sie, wie so viele andere, auf die Kuppel

zueilte. Trotz des dichten Gedränges war sie gut vorangekommen; Vatrox waren glücklicherweise

stets sehr diszipliniert und bewegten sich geordnet. Die Männer oft noch mehr als die Frauen, sie

konzentrierten sich unmittelbar auf ein Ziel und wichen niemals davon ab. Allerdings hinderte sie

das auch daran, raffinierte Strategien auszuarbeiten und sich schnell einer Veränderung

anzupassen.
    *
    Das Hauptportal der Besinnung war weit geöffnet und von einem ständigen Strom

frequentiert, der hinein-, aber auch hinausführte. Durchsagen teilten mit, in welchen Räumen

welche Versammlung stattfand; es wurden freie Plätze in Kleinkreisen, Meditationen, Diskussionen

und Vorträgen angeboten.
    Lucba orientierte sich kurz an einer Holo-Anzeigetafel; sie wurde in Raum 1104/B erwartet,

also wandte sie sich nach rechts und hastete den Gang entlang. Sie konnte es kaum mehr

erwarten.
    Gleichzeitig mit zwei weiteren Frauen betrat sie den schlichten, fensterlosen Raum, der von

sanftem Licht indirekt beleuchtet wurde. Außer den blauen Matten auf dem Boden gab es keinerlei

Einrichtung.
    Die anderen waren schon da und verteilten sich auf ihre Plätze. In der Mitte des Kleinkreises kauerte in Meditationshaltung Zeira Conobim. Lucba kannte sie seit der ersten

Begegnung als Kind, als ihre Aufnahme in den Kreis vorbereitet worden war, und bereits damals war

die Leitende Mentalin eine alte Frau gewesen. Mittlerweile war sie uralt, aufgedunsen und

prallhäutig. In ihrem glatten Gesicht konnte man nicht lesen, so wie sonst in den Falten jeder

Vatrox. Die eine oder andere Frau außerhalb des Kreises hatte schon gestichelt, dass Zeira längst

über ihre Zeit hinaus lebte und deswegen gesichtslos geworden sei.
    »Also dann ... bringen wir es hinter uns«, stieß Lucba hervor. Diese letzte Probe noch, dann

musste sie sich auf ihre Präsentation vorbereiten.
    Zeiras erblassende Augen richteten sich auf sie. »Ich hatte gehofft, dass du wenigstens heute

die notwendige Ernsthaftigkeit mitbringst«, rügte sie Lucba.
    »Ehrenwerte Mentalin, das tue ich«, bekräftigte Lucba. »Stell mich auf die Probe!«
    Sie wusste nicht - hatte es nie gewusst -, was die Leiterin des Kreises von ihr erwartete. In

all den Jahren hatte sich ihre Gabe nie besonders ausgeprägt gezeigt, abgesehen davon, dass sie

ein guter Verstärker war. Doch Lucba war stets eine passive Teilnehmerin, die den geistigen

Gedankentanz der Frauen aus der Distanz auf sich wirken ließ.
    »Auf die Probe? Dafür ist es zu spät. Heute Abend musst du alles geben, Lucba. Dies hier dient

nur noch der Synchronisierung. Wir müssen gut aufeinander eingestimmt sein, um dem Großkreis so

schnell wie möglich beitreten zu können.«
    Zeira war alt und wunderlich, sie hatte immer etwas zu nörgeln.
    Schweigend ließ Lucba sich auf ihrer Matte nieder und nahm die gewohnte meditative Haltung

ein, ebenso wie alle anderen Frauen. Der Kreis
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