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Camel Club 04 - Die Jäger

Titel: Camel Club 04 - Die Jäger
Autoren: David Baldacci
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KAPITEL 1

    Die Chesapeake Bay ist Amerikas größte Flussmündung. Bei fast 320 Kilometer Breite hat sie eine Wasserfläche von unfassbaren 1690000 Quadratkilometern, und mehr als hundertfünfzig Flüsse und Bäche ergießen sich in die Bucht. Außerdem ist sie Heimat einer einzigartigen Flora und Fauna und ein Anziehungspunkt für Heerscharen von Bootsurlaubern. Die Bucht ist ein Stück Schöpfung von bemerkenswerter Schönheit – es sei denn, man schwimmt während eines Unwetters in der diesigen Düsternis des frühen Morgens in ihren eisigen Fluten.
    Oliver Stone tauchte auf, durchbrach die Wasseroberfläche und schnappte in der salzigen Luft nach Atem wie ein Verdurstender mitten auf dem Ozean.
    Der Sprung von der steilen Klippe hatte ihn tiefer ins Wasser tauchen lassen, als gut für ihn war. Wenn man von einem zehn Meter hohen Felsen in die tosende See springt, muss man froh sein, wenn man nicht auf einem Riff landet oder wenn einem in der plötzlichen Kälte nicht das Herz stehen bleibt.
    Stone trat Wasser und ließ den Blick schweifen, um sich zu orientieren, doch nichts, was er sah, kam ihm vertraut vor oder machte einen einladenden Eindruck. Bei jedem Blitzschlag warf er einen Blick zu der drei Stockwerke hohen Klippe hinauf, von der er gesprungen war. Er trieb noch keine Minute in der Bucht, doch trotz des Ganzkörperschwimmanzugs, den er unter der Kleidung trug, kroch ihm die Kälte bereits in die Knochen. Er streifte Hose und Hemd vom Leib und schüttelte die Schuhe ab. Dann schwamm er mit kräftigen Zügen nach Osten. Ihm blieb nur wenig Zeit.
    Zwanzig Minuten später schlug er die Richtung zur Küste ein. Inzwischen fühlten seine Arme und Beine sich an, als wären sie aus Beton. Früher hätte er diese Übung mit Leichtigkeit absolviert, aber er war keine zwanzig mehr. Verdammt, er war auch keine fünfzig mehr! Stone wollte nur noch an Land. Er hatte es satt, den Fisch zu spielen.
    Stone richtete den Blick auf eine Felsspalte, schwamm mit letzter Kraft darauf zu, zog sich aus dem Wasser und näherte sich im Laufschritt einem großen Granitblock, wo er sich den Kleidersack griff, den er dort versteckt hatte. Er schälte sich aus dem nassen Schwimmanzug, trocknete sich mit einem Badetuch ab und zog frische Kleidung und ein Paar Tennisschuhe an. Die feuchten Sachen stopfte er in den Sack, band einen Stein daran fest und schleuderte ihn in die vom Unwetter gepeitschte Bucht, wo der Sack samt Inhalt sich zu Stones jahrzehntealtem Scharfschützengewehr und dem ebenso antiquierten Weitschusszielfernrohr gesellte. Offiziell war Stone aus seinem Job als Profikiller ausgeschieden. Er hoffte, sein neues Leben genießen zu können. Doch seine Erfolgsaussicht lag bei nicht einmal fünfzig Prozent.
    Vorsichtig suchte Stone sich den Weg hinauf zu einem kiesigen Trampelpfad. Zehn Minuten später gelangte er zu einem bewaldeten Geländeabschnitt, auf dem sich Pinien im steifen Wind beugten, der vom Meer herüberwehte. Nach weiteren zwanzig Minuten, diesmal wieder im Laufschritt, erreichte Stone eine Ansammlung windschiefer Hütten, von denen die meisten kurz vor dem Einsturz standen.
    Das erste, von Wolken getrübte Licht des neuen Tages verdrängte die Dunkelheit. Stone schwang sich durch das Fenster der kleinsten Hütte, die kaum mehr als ein Anbau war, allerdings über Annehmlichkeiten wie einen Holzfußboden und eine Tür verfügte.
    Stone blickte auf die Armbanduhr. Er hatte höchstens noch zehn Minuten. Obwohl er hundemüde war, zog er sich noch einmal aus und huschte in die winzige Duschkabine, deren rostige Rohre nur einen dünnen Strahl lauwarmen Wassers hervorbrachten. Dennoch bürstete er sich kräftig ab, wusch den Gestank und die schmierigen Rückstände der tobenden Bucht ab und beseitigte auf diese Weise Indizien. Er war dermaßen erschöpft, dass er sich von seinen Instinkten leiten ließ; sein Verstand war zu ausgelaugt, um noch die Führung behaupten zu können. Stone war klar, dass sich das schnellstens ändern musste, denn sehr bald schon würde es zu einem weiteren geistigen Kräftemessen kommen. Seine Verfolger saßen ihm im Nacken.
    Stone lauschte auf das zu erwartende Klopfen an der Tür. Es erklang, als er sich wieder ankleidete.
    »He, Mann, bist du endlich fertig?«, rief eine Stimme. Sie schoss so plötzlich durch die dünne Sperrholztür wie die Pfote einer Katze in ein Mauseloch. Zur Antwort schlug Stone, der sich gerade die Schuhe anzog, mit der flachen Hand krachend auf den rissigen
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