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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet
Autoren: Jean G. Goodhind
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strich sich den Rock elegant über die schmalen Oberschenkel und setzte sich auf dem besten, vielmehr dem einzigen Stuhl, den das Büro ihrer Tochter zu bieten hatte, noch ein wenig bequemer zurecht. Honey hockte auf der Schreibtischkante.
    Die Miene ihrer Mutter war ein wenig betrübt. Daraus und aus dem schwarzen Outfit schloss Honey, dass ein trauriger Anlass auf der Tagesordnung stand.
    Und da kam’s auch schon.
    »Sean O’Brian ist tot.«
    »O je.«
    »Aber zumindest ist er mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben.«
    »Ach, wirklich?«
    »Er war auf der Hochzeitsreise mit seiner Frau im Bett. Du weißt doch, dass er wieder geheiratet hat, nicht? Ich habe dir davon erzählt.«
    »Ja, natürlich hast du das«, antwortete Honey und setzte eine angemessene Trauermiene auf, verschränkte die Arme und nickte, als sei sie von diesem Verlust tief betroffen – was sie, ehrlich gesagt, überhaupt nicht war. Ihrer Meinung nach war Sean O’Brian ein alternder Lustmolch gewesen. Sie hatte blaue Flecke am Hintern, die das klar bezeugten. Trotz seines Alters hatte er noch einen ziemlich festen Griff gehabt.
    »Wir werden ihn sehr vermissen«, sagte Gloria Cross mit einem Seufzer.
    Honey schaute weg und verdrehte die Augen. Ihr jedenfalls würde der Kerl bestimmt nicht fehlen. Ihr kam in den Sinn, dass sie ihre Mutter nie gefragt hatte, ob Sean seinen tödlichen Kneifgriff auch mal an ihrem Hinterteil erprobt hatte. Das würde sie niemals wagen, und außerdem war der Mann ja jetzt tot. Er würde niemanden mehr zwicken, und man sollte ja von Toten nicht schlecht reden.
    Sie gab sich alle Mühe, Mitgefühl zu zeigen. »Da bin ich mir sicher. Was für ein Pech, ausgerechnet auf der Hochzeitsreise.«
    Es klopfte an der Tür, und Steve Doherty kam herein, der ein wenig blasser als gewöhnlich aussah und außerdem außerordentlich adrett und glattrasiert. Obwohl sein vertrauter Dreitagebart fehlte und die Anwesenheit ihrer Mutter der Sache einen Dämpfer aufsetzen würde, sah Honey in seinen Augen ein lüsternes Versprechen aufblitzen.
    Sie lächelte ihn an.
    Er lächelte zurück, wenn er auch nervöser als sonst wirkte.
    »Ich hoffe, ich bin nicht zu spät dran.«
    Er schien seine Nervosität in den Griff zu bekommen, und auch sein Lächeln war ein wenig tapferer geworden.
    Das gefiel Honey, und sie zwinkerte ihm aufmunternd zu.
    »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du das machst.«
    Er zuckte die Achseln. »Kein Problem.«
    Sie hatte ihn um den Gefallen gebeten, etwas zu tun, was er noch nie getan hatte. Und er war gekommen und würde es machen.
    »Hast du schon Kaffee getrunken?«, fragte Honey.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht. Ich habe Smudger rausgehen sehen. Ich soll dir von ihm sagen, dass er sich einen Salamander anschauen geht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er sich für Reptilien interessiert.«
    Honey grinste. Sie würde ihm später erklären, dass ihr Steakgrill – in der Gastronomie Salamander genannt – bald den Geist aufgeben würde.
    Ihre Mutter unterbrach sie. »Wir haben gerade von Sean gesprochen, bitte!«
    Gloria Cross mochte es gar nicht, wenn man sie nicht beachtete. Ihre mit Botox aufgepolsterten Lippen waren zu einer grellroten Linie zusammengekniffen. Von Steve Doherty nahm sie nur mit einer winzigen Bewegung ihres Kinns Notiz, ehe sie weiterplapperte, als wäre er nicht da.
    »O ja, Sean war so ein liebenswerter Mann. So romantisch und von Kopf bis Fuß ein Gentleman.«
    »Stille Wasser sind tief«, antwortete Honey.
    Die Atmosphäre zwischen Doherty und ihrer Mutter war aufgeladen, aber die Blitze schleuderte Gloria Cross. Seit dem Ableben von Carl, Honeys Ehemann, befand sich GloriaCross auf einer Art Kreuzzug, um angemessenen Ersatz für ihn zu finden – das heißt: in ihren Augen angemessener Ersatz. Obwohl Sean O’Brian tot war, schwärmte sie immer noch von ihm und seinem beträchtlichen Vermögen.
    »Natürlich hätte es, wenn du ein bisschen geschickt vorgegangen wärst, letzte Woche deine Hochzeitsreise sein können. Wenn du dich recht erinnerst, er hat dich oft genug eingeladen, dich auf die Arktiskreuzfahrt mitzunehmen, die wir alle gemeinsam gemacht haben – wir vom Sechzig-Plus-Klub. Du hättest mitkommen sollen. Sean war sehr gut betucht.«
    Honey schaute zu Steve und verdrehte die Augen. Diese Erwähnung von Seans Interesse an ihr war für Steves Ohren gedacht. Der erfüllte nämlich in keiner Weise die Standards, die Gloria für ihre Tochter verlangte. Er
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