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Am Ende bist du mein

Am Ende bist du mein

Titel: Am Ende bist du mein
Autoren: Mary Burton
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Prolog
    Sonntag, 24.   September, 22.00   Uhr
    Die Zeit hatte ihre Spuren auf den Videos hinterlassen.
    Mitten auf dem Bild war eine senkrechte schwarze Linie, umgeben von Schneegeriesel, die ehemals leuchtenden Farben waren verblasst.
    Als er die Filme in den letzten zwölf Jahren gedreht hatte, war er davon ausgegangen, dass sie ewig halten würden. Dass die Zeit, gepaart mit exzessiver Betrachtung, die Bilder seiner drei Schauspielerinnen und ihrer letzten Vorstellungen beeinträchtigen könnte, hatte er nicht gedacht. Das erste Band war kein großer Verlust. Beleuchtung, Ausstattung, Blickwinkel, all das war ihm damals noch nicht richtig klar gewesen. Zu hastig war er da vorgegangen, zu nervös. Aber er hatte dazugelernt, war sicherer geworden. Beim letzten Band sah man das bereits deutlich.
    Mit der Fernbedienung in der Hand beugte er sich vor und richtete seine Aufmerksamkeit auf dieses letzte Band und konzentrierte sich nur auf die Frau. Die technischen Störungen blendete er aus.
     
    Ein vergissmeinnichtblauer Unterrock aus Seide umspannte ihre vollen Brüste und den schlanken Körper, schmiegte sich um die untergeschlagenen Beine und das runde Gesäß. Eine blonde
Perücke verhüllte kastanienbraunes Haar und betonte das blasse Gesicht. Unter den braunen Augen waren zwei Ränder verschmierter Wimperntusche und auf den Wangen blauschwarz angelaufene Blutergüsse. Blicklos starrte sie vor sich hin und hielt sich die Hand, die er ihr hatte brechen müssen, als sie das letzte Mal ungehorsam gewesen war.
    Außerhalb des Bildbereichs wurde eine Tür geöffnet und geschlossen. Schlüssel klimperten. Die Frau richtete sich auf und versuchte zu stehen, doch die Kette um ihre Taille zwang sie zurück auf die Knie. «Hallo?»
    Er selbst hielt sein Gesicht nie in die Kamera.
    «Tut mir leid, dass ich zu spät komme. So lang wollte ich gar nicht wegbleiben.»
    Die Brust der Frau hob und senkte sich in kurzen Atemstößen. «Ich dachte schon, Sie würden nie mehr wiederkommen.» Achtzehn Stunden war er fort gewesen.
    «Ich konnte dich nicht für immer verlassen.»
    In den vergangenen beiden Wochen hatte er sie in gewissen Abständen allein gelassen, jedes Mal gedroht, nie mehr wiederzukommen, und die Tür abgeschlossen. Auf dem Video sah er, wie sie ihm nachrief – ihn anflehte, nicht zu gehen, und an ihrer Kette riss. Nach drei, fünf oder auch mehr Stunden kehrte er zurück. Sie weinte jedes Mal, und auf ihrem Gesicht spiegelten sich Erleichterung, Angst und aufflackernder Zorn. Er hatte sie langsam zermürbt und ihr beigebracht, dass ihre Welt sich um ihn drehte und sonst niemanden.
    Als sie hochschaute, schenkte sie ihm ein Lächeln, das zugleich einnehmend und verzweifelt war. «Lassen Sie mich jetzt gehen?»
    «Noch nicht.»
    Das Lächeln verblasste. «Sie haben gesagt, wenn Sie das nächste Mal kommen, kann ich gehen.»
    «Dann habe ich meine Meinung eben geändert.» Per Zoom
holte er das Gesicht heran. «Deine Vorstellung hat mir so gut gefallen, dass ich einfach noch nicht auf Wiedersehen sagen kann.»
    Von nahem erkannte man in den Augen die Enttäuschung, die langsam Entsetzen wich. «Sie werden mich nie gehen lassen, nicht wahr?»
    «Habe ich das nicht versprochen?» Er klang beleidigt.
    Tränen kullerten über ihre Wangen. Ihre Lippen bebten. Anscheinend ahnte sie, dass dies das Ende war. Das Spiel war aus.
    Hysterisch begann sie an der Kette zu reißen, kämpfte mit wundervoll hüpfenden Brüsten. «Lassen Sie mich gehen! Warum tun Sie mir das an?»
    «Ich liebe dich, Adrianna.»
    «Lassen Sie mich gehen!» Sie schluchzte den Satz hervor.
    «Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Und was musst du daraufhin sagen?» Verärgerung tränkte seine Worte. Wie viele Lektionen brauchte sie denn noch, um ihre Rolle richtig zu spielen?
    «Nein, nein, nein. Mein Name ist Rhonda.» Die Seide unter der Kette war aufgerieben und von dem rostigen Eisen bräunlich gefärbt. «Ich heiße Rhonda.»
    «Du bist nicht Rhonda!» Er schnipste mit den Fingern. «Sag das, was ich dir beigebracht habe. Sonst muss ich den Viehtreiber benutzen.»
    Bei der Erwähnung des Elektroschockers wich der Kampfgeist aus ihrem Blick. «Bitte nicht.» Das Flehen mündete in heiserem Flüstern.
    «Sag es!» Sie standen kurz vor ihrer letzten Szene. Die gierige Vorfreude in seiner Stimme war deutlich zu hören.
    Die Frau schloss die Augen. «Ich liebe dich.» Das schwache Flüstern kam wie ein Stück Müll aus einem Abfalleimer gefallen.
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